„Wir tun alles, um die Lausitz nach vorn zu bringen“

Torsten Westphal (re.), DB-Beauftragter für Strukturstärkung Kohleregionen, führte Teilnehmer des IHK-Forums über die Baustelle des neuen Bahnwerks.
© Jörg Tudyka
Torsten Westphal (re.), DB-Beauftragter für Strukturstärkung Kohleregionen, führte Teilnehmer des IHK-Forums über die Baustelle des neuen Bahnwerks.

Das neue Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn in Cottbus wird das modernste und umweltfreundlichste Werk in Europa.

Bis zum Jahr 2026 entstehen am Standort des 1986 in Betrieb gegangenen alten Werks zahlreiche Anlagen auf dem neuesten Stand der Technik. Geplant sind u. a. ein komplett neu zu errichtender Fabrikgebäudekomplex zur Wartung der neuesten ICE-Flotte der „4. Generation“ und eine Halle zur Umrüstung von Dieselfahrzeugen auf Hybridtechnik mit Elektroantrieb.

Bei der bisher bedeutendsten Einzelinvestition des Bundes in der Strukturwandelregion Lausitz laufen alle Arbeiten bislang nach Plan. Davon überzeugten sich auch rund 100 Mitglieder aus dem IHK-Ehrenamt und Unternehmer aus dem Verkehrs-, Bau- und Dienstleistungssektor Mitte September bei einer gemeinsamen Veranstaltung von DB und IHK. Anfang Januar soll die erste der beiden Hallen des neuen Werkes in Betrieb genommen werden. Dach und Fassade der ca. 440 Meter langen und 30 Meter breiten Halle sind geschlossen. Momentan wird Maschinen- und Anlagentechnik installiert, der Innenausbau ist so gut wie abgeschlossen.

Die Inbetriebnahme der zweiten, viergleisigen Halle, die doppelt so groß werden wird wie die erste, ist für 2026 vorgesehen. Hier sind die Dimensionen noch beeindruckender – 570 Meter lang und 260 Meter breit soll sie werden. Gebaut werden darüber hinaus auch Gleishallen, Nebenwerkstätten und eine Lackierstraße für komplette ICE-Züge. Die Baukosten werden mit insgesamt etwa einer Milliarde Euro angegeben.

Für ein punktgenaues Angebot

Von all dem soll auch der regionale Mittelstand profitieren – als Nachunternehmer. Mehr als 50 Firmen aus Cottbus und dem Umfeld sind bislang am Bau beteiligt. Dass das so gut funktioniert, ist einer Initiative der IHK Cottbus und Handwerkskammer Cottbus (HWK) zu verdanken, welche allerdings auch auf eine sehr hohe Kooperationsbereitschaft des DB-Teams traf. Bereits auf der IHK-Vollversammlung am 7. April 2021 gab es die ersten Informationen zum Projekt, zu den benötigten Fachgewerken und Leistungen aus der Lausitz. Kurze Zeit später, am 19. Mai 2021, ein Jahr vor dem Spatenstich, lud die IHK den Gesamtprojektleiter für den Werksneubau ein, um nachvollziehbar zu präsentieren, was konkret geplant ist und wie sich regionale Unternehmen am Werksneubau beteiligen können. Bis zum Spatenstich hatte die DB vier Generalunternehmer bzw. „Allianzpartner“, wie sie in diesem Projekt heißen, ausgewählt.

Unmittelbar danach, am 19. Mai 2022, konnte schließlich in einer zweiten öffentlichen Veranstaltung geklärt werden, welche Nachunternehmer in welchen Gewerken benötigt werden. Wer macht was? Wer sind die konkreten Ansprechpartner? Unternehmen hatten die Möglichkeit, sich nicht nur direkt zu informieren, sondern nunmehr auch in persönlichen Gesprächen mit den Bauverantwortlichen Bedarfe abzuklären. So wurde es Unternehmen ermöglicht, punktgenau Angebote zu erstellen.

Es geht um absolute Transparenz

Jens Krause, Generalmanager Infrastruktur und Verkehr und Leiter der Stabstelle Strukturwandel bei der IHK Cottbus, kümmerte sich von Beginn um das Projekt und die Mitgestaltungsmöglichkeit für Mitgliedsunternehmen:„Uns ging es von Anfang an um absolute Transparenz beim Neubau des Bahnwerkes. Nur wenn jedem regionalen Unternehmen bekannt ist, für welche Gewerke wann Nachunternehmer durch die Deutsche Bahn und ihre Generalunternehmer gesucht werden, können sie sich um Aufträge bewerben.“

Die nächsten Ausschreibungen

Weitere regionale Anbieter werden nun als Nachunternehmen für den Bau der zweiten Halle gesucht, die um ein Vielfaches größer sein wird. Am 18. September informierte die DB in einer IHK-Veranstaltung über Baufortschritte und die Beteiligung der heimischen Wirtschaft bislang und zukünftig mit Blick auf die anstehenden Ausschreibungen. Dabei wurde sehr detailliert darauf eingegangen, welche Gewerke und Leistungen noch benötigt werden.

Jens Krause: „Wir möchten für hohe Transparenz beim Bau des neuen Bahnwerkes in Cottbus sorgen. Jedes interessierte Unternehmen aus der Region soll wissen, an wen man sich konkret wenden kann.

Die Vergaben der Nachunternehmeraufträge erfolgen durch die folgenden vier Generalunternehmen bzw. Allianzpartner:

  1. Vergabepaket Verkehrsanlagen, Tiefbau, bahntechnische Ausrüstung HKLS - Firma Rhomberg Sersa GmbH, NL Dresden und Schwarze Pumpe
  2. Vergabepaket Hochbau und Hallenbau sowie Vergabepaket Ingenieurbau, Gründungen und Beton - Firma Wayss & Freytag Ingenieurbau AG aus Frankfurt/Main, NL Ludwigsfelde
  3. Vergabepaket Logistik/Lagertechnik und Transport- und Fördersysteme - Firma LOGSOL GmbH aus Dresden
  4. Los „Technische Gebäudeausstattung –TGA“ - Firma ENGIE Deutschland GmbH, NL Dresden

Erfolg durch Allianzmodell Schiene

Der DB-Gesamtprojektleiter für den Neubau des Werkes, Marc Hermann, bestätigte, dass die erfolgreiche Projektumsetzung bislang insbesondere durch das Allianzmodell Schiene und die Strukturmittel ermöglicht wird.

Eine schnelle Prozessentwicklung, ein flexibles, teamorientiertes Agieren der Partner, die in Vorleistung gegangen sind, sowie kurze Abstimmungswege statt erdrückender E-Mail-Fluten seien der Garant für die hohe Baugeschwindigkeit und die Motivation und Freude im Team, machte Marc Hermann glaubhaft deutlich und ergänzte: „Wir gehen schließlich mit Steuergeldern um.“ Daher waren die Vertreter aller vier beauftragten Generalunternehmen vor Ort. Denn die Allianz entscheidet alles Wesentliche im Bau gemeinsam. „Das ist eine besondere Form von Zusammenarbeit, ein partnerschaftliches Modell“, so Hermann. „In dem gemeinsamen Projektbüro in Cottbus können schnell Lösungen gefunden werden – in der persönlichen und direkten Auseinandersetzung.“ Das könne auch mal laut werden, aber „wir haben dazu ein Team gefunden, mit dem wir zeigen können, dass es geht. Die Ergebnisse belegen das.“

Wie auch regionale Unternehmen, die am Bau beteiligt sind.

Überall Unterstützer

Torsten Westphal, DB-Beauftragter für Strukturstärkung Kohleregionen, machte deutlich, dass das schnelle, planmäßige Vorwärtskommen des Bauprojekts im Vergleich zu anderen Großprojekten alles andere als gewöhnlich ist: „Es klappt alles! Natürlich nicht ohne Reibung. Aber wir reden nicht nur darüber, sondern wir setzen um – erfolgreich auch dank der Unterstützung der IHK und der HWK.“ Überhaupt, meint der DB-Beauftragte, mache das Engagement in der Lausitz Spaß, „weil wir hier überall Leute finden, die uns unterstützen.“ Und betonte: „Es geht nicht nur um ein Werk, sondern wir wollen damit gezielt die Struktur in der Region stärken. Wir tun alles, um die Lausitz nach vorn zu bringen. Das ist unser Auftrag.“

Und Gesamtprojektleiter Marc Hermann ergänzte: „Wir vergeben Leistungen sehr gern regional. Kommen Sie auf uns zu!“

Furcht vor Fachkräfteabzug

Was das Thema Ausschreibungen betrifft, scheint somit alles im grünen Bereich, wie man landläufig sagt. Doch ein weiteres Thema treibt den Lausitzer Mittelstand um, was das Bahnwerksprojekt betrifft. Befürchtet wird ein sogenannter Kannibalisierungseffekt, der allgemein schon längst im Zusammenhang von Strukturwandel und Fachkräftemangel heiß diskutiert wird. Prestigeobjekte, noch dazu unter staatlicher Obhut, wie das neue Bahnwerk in Cottbus, warten mit entsprechend attraktiv gestalteten Arbeitsplätzen auf. Sie würden die so schon raren Fachkräfte aus den Firmen vor Ort abziehen, heißt es im Kreise einiger Unternehmer.

Heinz-Wilhelm Müller, Chef der Agentur für Arbeit Cottbus, kommentierte das jüngst in einem Interview mit der HWK recht nüchtern: „So funktioniert der Markt. Ich arbeite bei einem Arbeitgeber, bin vielleicht ganz zufrieden und dann kommt ein Angebot, fünf Euro mehr die Stunde, und ich wechsle den Arbeitsplatz. … Ich kenne große Unternehmen in der Region. Sie wollen die Kleinen nicht kaputt machen. Sie haben einfach mehr Möglichkeiten. Sie zahlen in der Regel besser, sie begleiten die Beschäftigten auf andere Weise. Das alles führt dazu, dass sich viele bei ihnen bewerben. Die einzige Möglichkeit, die kleine Betriebe haben, ist, gute Angebote an ihre Beschäftigten zu machen. Das meint: Geld, Kümmern, soziales Betriebsklima usw. Das alles befördert Klebeeffekte, die dennoch nicht verhindern werden, dass der eine oder andere Mitarbeiter das eigene Unternehmen verlässt.“

Andere Wege bei der Rekrutierung

Doch die DB versuchte bereits im Vorfeld, diesen möglichen Sogeffekt zumindest einzudämmen.

„Wir wenden die üblichen Rekrutierungsstrategien, also massive örtliche Marketingmaßnahmen, hier nicht an, sondern gehen neue Wege“, machte Torsten Westphal deutlich.

Insgesamt entstehen in dem neuen ICEWerk 1 000 zusätzliche Industriearbeits- und 200 Ausbildungsplätze. Alle für die Inbetriebnahme der ersten Halle erforderlichen Arbeits- und Fachkräfte seien laut Torsten Westphal bereits an Bord. Sie werden derzeit in anderen ICE-Werken umfassend qualifiziert, um im Januar in Cottbus gut starten zu können. Unter den Mitarbeitern sind zahlreiche ehemalige LEAG-Beschäftigte, aber die DB AG konnte auch konzernintern Mitarbeiter für einen Wechsel in das neue Werk gewinnen.

Auch extern wurden neue Fachkräfte eingestellt, unter ihnen einige Rückkehrer.

Heute Azubis, morgen Fachkräfte

Weitere Fachkräfte werden dann für die zweite Halle benötigt. Dafür setzt die DB zum einen auf die langfristig angelegte Kooperation mit der LEAG. Die zukünftigen Jungfacharbeiter für das Bahnwerk werden am Ausbildungsstützpunkt des Bergbau- und Energiekonzerns im Kraftwerk Jänschwalde ausgebildet. Die DB plant, so Westphal, die Ausbildungsstätte in absehbarer Zeit komplett zu übernehmen. Des Weiteren ist die Zahl der Ausbildungsplätze am Standort Cottbus erhöht worden. In diesem und dem vergangenen Jahr wurden jeweils hundert Auszubildende eingestellt.

„Die wir heute ausbilden, sind unsere Fachkräfte von morgen“, ergänzte HR-Projektleiter Kai Buchwald. So wird die Hälfte des Personals zukünftig durch die Übernahme der eigenen Azubis kommen: „Das durchzusetzen war auch ein Kampf mit unseren Controllern, denn Ausbildung ist teuer.“

In Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit ist zudem eine Umschulungsinitiative geplant. Außerdem übernehme man auch freigesetztes Personal von Unternehmen, die in der Lausitz ihre Standorte geschlossen hätten, wie beispielsweise von Vestas Lauchhammer.

Gemeinschaftlich für den Strukturwandel einstehen 

Wie für den Start 2024 bereits das notwendige Personal an Bord ist, so wird das auch beim Start der neuen Halle 2026 der Fall sein, ist Buchwald überzeugt. Darüber hinaus möchte die DB mit regionalen Institutionen und Unternehmen kooperieren, um am Fachkräftethema dranzubleiben – zum Vorteil für die gesamte heimische Wirtschaft:

„Wir möchten uns mit allen an einen Tisch setzen, die mit Berufsausbildung zu tun haben, und prüfen, was sich gemeinsam bewerkstelligen lässt, um dem Fachkräftemangel grundsätzlich perspektivisch beizukommen. Die Fachkräftesicherung in der Region ist eine Gemeinschaftsaufgabe von allen in der Verantwortung Stehenden aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden.“

Die Region sei für Fachkräfte attraktiv. Leider komme das außerhalb der Lausitz nicht ausreichend an. „Viele wissen gar nicht, was in der Lausitz positiv abgeht Das müssen wir ändern“, so Westphal. Das Ziel sei eine gemeinsame Botschaft nach außen, die in etwa lauten könnte: „Was die da in der Lausitz machen, ist cool. Da kann man gut arbeiten, leben und natürlich auch Urlaub machen.“ Er ist überzeugt: „Wenn wir gemeinschaftlich für den Strukturwandel einstehen, werden wir auch erfolgreich sein.“

Der Artikel von Jörg Tudyka ist nachzulesen im FORUM 11/2023

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