„Künstliche Intelligenz verändert schon die Wirtschaft“

KI-Trainerin Dr. Svetlana Meissner
© Andreas Franke
KI-Trainerin Dr. Svetlana Meissner

Ein Interview mit Dr. Svetlana Meissner vom Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland.

FORUM: Sie sind KI-Trainerin. Was können Sie interessierten Mittelständlern beibringen?

DR. SVETLANA MEISSNER: Ich erkläre in unseren Workshops im Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland, was künstliche Intelligenz ist und was sie kann. Und ich kann Ängste abbauen. So neu oder unbekannt ist das Thema doch gar nicht. Wir alle kennen und nutzen KI schon seit längerer Zeit. Wir stellen Suchmaschinen Fragen. Wir wundern uns längst nicht mehr über personalisierte Werbung, wenn wir im Internet surfen. Das ist KI. In unseren Workshops stellen wir unter anderem den Einsatz von Chatbots vor. Viele Teilnehmer entwickeln selbst Ideen, wie diese Form von KI in ihrem Unternehmen eingesetzt werden kann.

FORUM: Zum Beispiel?

DR. SVETLANA MEISSNER: Stellen Sie sich ein Unternehmen vor mit stetigem Wareneinund -ausgang. Jetzt möchte ein Mitarbeiter prüfen, ob eine Lieferung eingegangen ist. Dafür kann er die Nummer des Lieferscheins raussuchen und den Auftrag am Computer aufrufen – oder er fragt einfach einen Chatbot. KI ist dazu da, uns die Arbeit zu erleichtern.

FORUM: Aber steht nicht vor der Frage an den Chatbot die große Aufgabe für ein Unternehmen, sich eine Datenbasis zu schaffen und zu organisieren?

DR. SVETLANA MEISSNER: Ja, aber so gross ist die Aufgabe nicht gar nicht. Ich wohne in einem kleinen Dorf – wir haben dort einen Metallbetrieb und auch einen Elektrobetrieb. Jede noch so kleine Firma hat Daten: Rechnungen, Excel-Dateien, Mails, PDFs. Mit Cloud-Lösungen können sie einfach abgelegt und sortiert werden. Und auch die Verknüpfung mit einem Chatbot ist nicht schwer. Programmieren wird immer leichter und damit auch schneller. Wer früher zum Beispiel eine möglichst individualisierte Werbung entwickeln und schalten wollte, hat etwa ein Jahr lang gebraucht, um Datensätze zu sammeln und auszuwerten und um dann die perfekte Werbung zu konfigurieren. Diese Arbeit ist mit der heutigen Technik in zwei Tagen erledigt. Das zeigt: KI steigert die Produktivität ganz enorm.

FORUM: Weckt das nicht neben den Berührungsängsten eine ganz andere Furcht? Macht die KI den Menschen überflüssig?

DR. SVETLANA MEISSNER: Überflüssig? Das wird nie passieren. Wenn ein Mensch geboren wird, wächst er immer in Kommunikation mit anderen Menschen auf. Nur so kann er lernen und sich entwickeln. Mit der KI ist es nicht anders. Ohne Verbindung mit dem Menschen ist KI keine KI. Sie kann nur in dieser Zusammenarbeit existieren. Wir erziehen sie wie ein Kind.

FORUM: Aber sie verändert die Arbeitswelt – und damit auch die Jobs…

DR. SVETLANA MEISSNER: Die Arbeit zu verlieren, ist für viele Beschäftigte die größte Angst. Ja, KI und Robotik übernehmen Arbeiten, die vorher zum großen Teil Menschen erledigten. Die Menschen werden aber jetzt gebraucht, um der KI zu sagen, was sie zu machen hat. Denn sie macht nichts allein. Für uns alle bedeutet es, dass wir uns rekalibrieren müssen. Unsere Effektivität steigt, während sich unser Arbeitsumfeld ändert. Nicht zuletzt deswegen sprechen wir im Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland in Workshops oder in Projekten mit Unternehmen immer auch die soziale Komponente an: Der Einsatz von KI muss gut geplant und alle Beschäftigten müssen einbezogen werden. Gerade ältere Mitarbeiter brauchen das Vertrauen, damit sie in der Lage sind, mit der KI zu arbeiten.

FORUM: Welche konkrete Unterstützung bietet das Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland dem brandenburgischen Mittelstand?

DR. SVETLANA MEISSNER: Wir geben einen Einstieg über die Workshops und können im nächsten Schritt Unternehmen helfen, konkrete Projekte zu identifizieren und zu priorisieren. Am besten ist es, wenn die Unternehmen für ihre Vorhaben Mitarbeiter benennen, mit denen wir uns dann kontinuierlich über angestrebte Veränderungen austauschen können. Projekte der Unternehmen können zu Themen von Masterarbeiten für Studenten an der BTU werden. Wir haben in der Vergangenheit auch schon Mitarbeiterbefragungen in den Betrieben begleitet, um Probleme oder Ängste im Umgang mit KI zu identifizieren. Durch eine Förderung über das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz können wir diese Unterstützung für die Unternehmen kostenlos anbieten. Die staatliche Finanzierung ermöglicht uns, Problemlösungen und Handlungsoptionen anbieterneutral aufzeigen. In welchem Umfang dann Dienstleister einbezogen werden und welche das sind, entscheiden die Unternehmen. Wir sind sozusagen der Türöffner für die weitere Digitalisierung.

FORUM: In welchen Branchen ist das Unternehmensinteresse an KI besonders groß?

DR. SVETLANA MEISSNER: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass grundsätzlich in allen Branchen das Interesse an KI da ist. Es geht um Automatisierung, um Robotik in der Produktion, Chatbots im Büro, um eine optimierte Maintenance, die auf Daten von Sensoren basiert. In der Logistikbranche werden die Touren in Echtzeit optimiert. Ein Fahrer, der seine Tour kurz für seine Mittagspause unterbricht, muss nicht viele Knöpfe drücken, um die aktuell beste Route zu finden. Er redet mit der KI. Das ist das Besondere der Entwicklung: An die Stelle des komplizierten Programmierens tritt unsere Sprache. Was vorher komplex war, kann jetzt leicht erklärt und genutzt werden.

FORUM: KI wird die Wirtschaft also grundlegend ändern?

DR. SVETLANA MEISSNER: Wir sind schon mittendrin. Künstliche Intelligenz verändert schon die Wirtschaft. Sie steigert die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Sie kann Tätigkeiten übernehmen, von denen Menschen überfordert sind oder wofür eine Firma gerade nicht ausreichend viele Fachkräfte hat. Diese Lücken können zusätzliche Tools füllen. Und noch etwas: KI bietet ganz neue Möglichkeiten für Start-ups. Wir sehen das hier im Lausitzer Raum. Die Szene wächst, getrieben durch KI-Projekte. Damit ergeben sich neue Chancen für Beschäftigung und Wertschöpfung. Wovon wir früher nur geträumt haben, ist jetzt da: Auf jede Frage bekommen wir eine personalisierte Antwort. Dafür sorgt die generative KI.

FORUM: Wo sind die Grenzen?

Dr. Svetlana Meissner: Die definiert der Mensch selbst – mit seinen Vorstellungen. Als Kind habe ich Märchen gelesen, in denen Steine und Bäume mit den Menschen sprechen. Nun sind wir tatsächlich so weit, dass Objekte eine Stimme bekommen. Auf der ersten KI-Stufe kann ich einem Werkzeug sagen, dass es seine Geschwindigkeit an neue Parameter anpassen soll. Auf der nächsten Entwicklungsstufe der KI werden Mensch und Werkzeug miteinander reden – also per Sprache klären, wo zum Beispiel ein Loch gebohrt werden soll. Was sich der Mensch vorstellen konnte, hat er irgendwann realisieren können. Die Frage ist nicht, ob, sondern nur: wann?

Grafik KI in der Wirtschaft

Mehr Informationen zur Digitalisierung im Mittelstand finden Sie im Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland.

Das Interview führte Ute Sommer/BMS für das FORUM-Magazin 11|2023

Ansprechpartner

Geschäftsbereich: Innovation und Nachhaltigkeit
Drittmittelprojekt: Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland
Projektleiter Öffentlichkeitsarbeit
t: +49(0)355 365 1502
f: +49(0)355 3659 1502
donald.saischowa@cottbus.ihk.de
Geschäftsbereich: Innovation und Nachhaltigkeit
Drittmittelprojekt: Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland
Projektmanager Öffentlichkeitsarbeit
t: 0355 365 1402
f: 0355 3659 1402
mario.behnke@cottbus.ihk.de