EU: Lausitz wie gemacht für Net Zero Valley – „grünes Tal“

Foto: v.l.n.r.: Roland Peine, Unternehmerverband Berlin-Brandenburg, Christine Herntier, Sprecherin der Lausitzrunde und Lars Katzmarek, Pro Lausitz e.V. übergeben die gemeinsame Erklärung der Lausitzer Wirtschaftsverbände an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
© Thomas Goethe
Foto: v.l.n.r.: Roland Peine, Unternehmerverband Berlin-Brandenburg, Christine Herntier, Sprecherin der Lausitzrunde und Lars Katzmarek, Pro Lausitz e.V. übergeben die gemeinsame Erklärung der Lausitzer Wirtschaftsverbände an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

Wann gab es das letzte Mal einen solchen Schulterschluss von Kammern, freien Wirtschafts- bzw. Unternehmerverbänden und Kommunen - dazu noch bundesländerübergreifend?

Die Lausitzer Wirtschaft macht sich stark dafür, das erste Net Zero Valley im Rahmen des Green Deal der EU als vom Kohleausstieg betroffene Region Lausitz europaweit zu werden.

Die Chancen stehen dafür gut in Brüssel, meint Dr. Christian Ehler (MdEP). Noch vor Ende der Legislaturperiode will dazu EU-Kommissar Thierry Breton in die südbrandenburgisch-ostsächsische Region kommen. Nun gilt es, in die Vorbereitung zu gehen und die Entscheidungsträger im Bund und vor allem in den Landesregierungen Sachsen und Brandenburg zu überzeugen. Und nicht zu vergessen - die Menschen in der Lausitz mitzunehmen.

Zur dritten Konferenz zur Infrastrukturentwicklung im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) Ende Februar in Cottbus hatte Lars Katzmarek, Revierbotschafter und stellvertretender Vorsitzender Pro Lausitz e.V., gemeinsam mit Roland Peine von den Unternehmerverbänden Berlin-Brandenburg im Namen der Lausitzer Wirtschaft das Positionspapier an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck übergeben.

Die IHK Cottbus war wie auch die IHK Dresden Mitunterzeichner. Bei der Übergabe wurde der Vizekanzler zu einem Gespräch mit den Interessenvertretern der Wirtschaft in die Lausitz eingeladen. Robert Habeck nahm die Einladung mit Hinweisen darauf, dass er aktuell mehr in der Lausitz als jeder anderen Region Deutschlands unterwegs sei, sich der Lausitz verbunden und ein hohes Maß an Wertschätzung für die Akteure in der Strukturwandelregion empfindet, gern an.

Bei seinem anschließenden Impulsvortrag zur Eröffnung der Konferenz überraschte der Bundesminister mit einer offensichtlich spontanen Aktion, die sich nicht auf dem Manuskript befand: Er zog das Papier der Lausitzer Wirtschaftsvertreter buchstäblich aus der Innentasch seines Sakkos und machte es zum zentralen Inhalt seines Auftakts. In den folgenden Sätzen bezeichnete er die Geschlossenheit der Lausitzer Akteure als beispielhaft und einzigartig in der Dynamik – und das vor allem nur wenige Tage nach der Verabschiedung der EU-Rahmensetzung zum Net Zero Industry Act (NZIA)*. Wichtig sei neben Leitungsnetzen, erneuerbaren Energien und alternativen Kraftwerken auch die soziale Infrastruktur – und genau dafür stehe die Erklärung der Lausitzer Wirtschaftsvertreter, so Habeck. In der Lausitz werde „mit Mut“ vorangegangen – dieses Signal aus der Wirtschaft nahm er mit nach Berlin.

Lausitz bevorzugt – wenn sich die Länder dazu bekennen

In der Erklärung „Für Deutschlands erstes Net Zero Valley in der Lausitz“ begrüßen Lausitzer Wirtschaftsvertreter den frisch verabschiedeten Rahmen des European Green Deal, welcher der Lausitz die Chance einräumt, zum Net Zero Valley deklariert zu werden. Das bedeutet eine bevorzugte Behandlung der Region im Rahmen des Strukturwandels, wenn sich Bund und die Länder Brandenburg und Sachsen dazu bekennen. Wenn sich …

Vereinfacht: Sonderwirtschaftszone

Im Positionspapier heißt es , dass die Lausitzer Wirtschaft sich stark dafür macht, das erste Net Zero Valley als vom Kohleausstieg betroffenen Region nicht nur deutschland-, sondern auch europaweit zu werden. Vereinfacht kann man hier von einer Sonderwirtschaftszone (SWZ) sprechen, welche zur besonderen Unterstützung der Transformation in Richtung klimafreundlicher Industrie im Rahmen des Green Deal der EU eingerichtet wird. Den Begriff SWZ will zwar keiner (mehr) aussprechen, aber was soll das anderes sein? Die Rahmensetzung für den European Green Deal ermöglicht den Mitgliedsstaaten schnelle Genehmigungsverfahren und besondere Rahmenbedingungen beim Aufbau von Null-Emissionstechnologien.

Insbesondere in den sogenannten „Net Zero Valleys“ sollen dafür strukturell und finanziell besonders günstige Voraussetzungen entstehen. Sie reichen von der Markterschließung für Unternehmen bis zur Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Hier kann ein vereinfachtes Regelungsumfeld die Entbürokratisierung voranbringen, wenn es gelingt, die Deregulierung von der EU-Ebene durch Harmonisierung der korrespondierenden Bundes-, Landes- und Kommunalregelungen bis auf die regionale Ebene umzusetzen und so die gewünschten Beschleunigungseffekte zu erzielen.

Lausitz wie gemacht für ein „grünes Tal“

Die Lausitz ist wie gemacht für ein solches „grünes Tal“ der Möglichkeiten, heißt es im Positionspapier. Unter den 41 Kohle- und Energieregionen Europas komme der Lausitz eine besondere Verantwortung zu – denn hier vollzieht sich der Wandel von einer fossil geprägten hin zur grünen Energie- und Technologieregion mit großer Dynamik und einem einzigartigen finanziellen Engagement durch Länder, Bund und EU. Eine Verantwortung, der die Lausitz als erstes Net Zero Valley Deutschlands umso besser gerecht werden kann, sind sich die Unterzeichner einig.

Chancen darüber hinaus Dabei sehen sie für die Lausitz sogar große Chancen über den Kern des Gesetzes hinaus. In der Erklärung heißt es dazu, dass das EUGesetz auch neue Instrumente zur passgerechten Fachkräftesicherung beinhalte, wie etwa die besondere Förderung von beruflichen Kompetenzen für Nullemissionstechnologien. Eine Net Zero Academy in der Lausitz könnte bestehende und geplante Potenziale in „erneuerbaren“ Jobs und ihrem Umfeld stärken oder bündeln. Das würde gleichzeitig Effekte für Image und Zuzug bringen. Die logische Konsequenz wäre zudem, Verwaltungs- und Planungsprozesse in der Lausitz für schnelle und unkomplizierte Verfahren sowie den wirtschaftlichen und sozialen Aufbruch vorzubereiten.

Eine modellhafte Digitalisierung von Prozessen in Verwaltungen, Wirtschaftskammern aber auch Unternehmen mit Hilfe von KI kann die Lausitz dafür rechtzeitig ertüchtigen und bereits heute spürbare Engpässe und Defizite überwinden. Insgesamt können so vielfältige Synergieeffekte für regionale Unternehmen und die Bevölkerung entstehen – das stärkt letztendlich auch ein demokratisches Miteinander.

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Bereits vor der gemeinsamen Erklärung der Lausitzer Wirtschaft gab es im Herbst 2023 ein vorbereitendes Positionspapier zum Thema Modellregion Lausitz. Beteiligt waren daran u. a. Roland Peine (UVBB), Susann Budras (IHK), Tim Berndt (WIL), Marion Hirche (BWA) und Ralf Henkler (BVMW). FOTO: WIL

EU stellt passenden Rahmen

Die EU stellt nun den passenden Rahmen zur Verfügung. Gemeinsam mit Kommunen, Ländern und Bund „möchten wir die Lausitz mit neuer Kraft und neuem Stolz zur faktisch untersetzen Modellregion Europas für Klimaschutz, Wachstum und Strukturwandel gestalten: zum ersten Net Zero Valley Deutschlands“, erklären die Lausitzer Wirtschaftsvertreter.

"Die Chancen stehen dafür gut in Brüssel", meint Dr. Christian Ehler.

Der EU-Abgeordnete für Brandenburg ist europaweit unterwegs und engagiert sich seit langem für die Lausitz: "Über 40 Kohleregionen, die vor der Dekarbonisierung stehen, schauen jetzt auf die Lausitz und ihren Weg!" Deshalb haben die Lausitzer Wirtschaftsvertreter die damit verbundenen Chancen in Brüssel frühzeitig ausgelotet.

Christian Ehler betont als zuständiger Berichterstatter für das NZIA das Engagement aus der Region: „Es ist beeindruckend, wie sich die Lausitz proaktivauf den Weg macht.“ Die Wirtschaft sei früh in die Gespräche eingestiegen. Die Kommunen der Lausitzrunde haben schließlich mit einem Besuch in Brüssel ein weiteres Signal gesetzt. „Diese Dynamik und Breite ist einzigartig“, betont der EU-Parlamentarier.

EU-Kommissar hat sich angekündigt

Noch vor Ende der Legislaturperiode will dazu EU-Kommissar Thierry Breton in die Region kommen. Wer die Gepflogenheiten in Brüssel und den Verantwortungshorizont eines EU-Kommissars kennt, weiß, dass ein solcher nicht mit leeren Händen in eine Region reist. Deshalb gilt es nun, in die Vorbereitung zu gehen und die Entscheidungsträger im Bund und in den Landesregierungen Sachsen und Brandenburg zu überzeugen. Denn die EU macht ein Angebot. Der Bund kann sich dazu verhalten. Die eigentliche Entscheidung, ja, wir wollen ein Net Zero Valley Lausitz, müssen die betroffenen Länder fällen. Mit der Übergabe der gemeinsamen Erklärung der Lausitzer Wirtschaftsverbände an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist ein erster Schritt getan. Zugleich wurde das Papier an die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Dietmar Woidke und Sachsen, Michael Kretschmer, übergeben. Bis Redaktionsschluss haben sich beide Länder zur gemeinsamen Erklärung der Lausitzer Wirtschaft noch nicht geäußert. In Anbetracht dessen, dass in Sachen Strukturwandel Brandenburg und Sachsen sich leider mehrfach nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten, ist Skepsis hier angebracht.

Hintergrund: Am 22. Februar 2024 wurde im EU-Parlament der sogenannte Net Zero Industry Act (NZIA) gemeinsam mit der strategischen Austausch- und Investitionsplattform STEP beschlossen. Der NZIA soll den EU-Mitgliedsstaaten als Rahmensetzung zum European Green Deal vor allem schnelle Genehmigungsverfahren für Nullemissionstechnologien und die Herausbildung entsprechender Kompetenzen ermöglichen. In sogenannten Net Zero Valleys, die mittels verbindlicher Pläne zu untersetzen sind, gelten besondere Rahmenbedingungen u.a. mit besserem Zugang zu Förderkulissen und besonderer Unterstützung der Kommunen und Unternehmen vor Ort. Mit der „Strategische Technologien für Europa Plattform“ (STEP) wird gleichzeitig ein Finanzrahmen geschaffen, der sämtliche im Net Zero Industry Act aufgelisteten Technologien inklusive aller Vorprodukte durch Europäische Fonds oder durch regionale Fördermittel (EFRE, ESF+, JTF etc.) förderfähig macht. Der Net Zero Industry Act ist von der Handschrift des zuständigen Berichterstatters und Brandenburger EU-Abgeordneten Dr. Christian Ehler geprägt.

Die Fakten

Die Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung „Für Deutschlands erstes Net Zero Valley in der Lausitz“ sind:

  • Tim Berndt (Wirtschaftsinitiative Lausitz), Manja Bonin (Handwerkskammer Cottbus), Ralf Henkler (BVMW Brandenburg Süd-Ost), Marion Hirche (BWA Cottbus-Lausitz), Lars Katzmarek (Pro Lausitz)
  • Roland Peine (Unternehmerverband Brandenburg- Berlin), Lukas Rohleder (IHK Dresden), Wilfried Rosenberg (BVMW Oberlausitz), Lars Schaller (UV Sachsen), Laura Staudacher (Junge Lausitz), Jens Warnken (IHK Cottbus)

Der Beitrag von Jörg Tudyka ist nachzulesen im aktuellen FORUM 4 /224

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