30 Jahre IHK-Bildungszentrum Cottbus

30 Jahre IHK-Bildungszentrum Cottbus
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Überblick:

IHK-Bildungsangebote im Wandel der Zeit

Nach über 30 Jahren gibt Jörg Fabiunke die Geschäftsführung an den 42-jährigen Marc Niemann ab.

IHK-Bildungsabschlüsse gelten als überregional anerkannt und angesehen. Als Partner von Wirtschaftsunternehmen werden Aus- und Weiterbildungen im kaufmännischen und Managementbereich angeboten. Das IHK-Bildungszentrum in Cottbus hatte mit Jörg Fabiunke den aktuell dienstältesten Geschäftsführer eines IHK-Bildungszentrums in Deutschland. Er erinnert sich an die Anfänge, an Veränderungen und Herausforderungen.

Jörg Fabiunke im Interview

FORUM: Herr Fabiunke, Sie waren 30 Jahre Geschäftsführer des IHK-Bildungszentrums (BIZ) Cottbus. Wie würden Sie die Anfänge beschreiben?

Jörg Fabiunke: Es war wie überall nach der politische Wende eine aufregende und spannende Zeit. Das BIZ wurde am 1. Januar 1993 gegründet, vorher war es eine Abteilung der IHK Cottbus. Es befand sich zunächst in einer wenig ansehnlichen Baracke in der Nähe vom Bahnhof. Ich selbst bin im März als Mitarbeiter eingestiegen und habe dann im April 1993 die Leitung übernommen.

FORUM: Nun ist eine Baracke nicht gerade der ideale Ort für ein Bildungszentrum…

Jörg Fabiunke: Das stimmt. Und wir hatten im ersten halben Jahr mit verschiedenen Hürden zu kämpfen. In der Baracke gab es nur eine Ofenheizung, eine Wasserleitung brach, es brannte in den Nachbarbaracken und eingebrochen wurde auch. Deshalb schaute ich mich schnell nach anderen Räumlichkeiten um.

FORUM: Wo wurden Sie fündig?

Jörg Fabiunke: Bei ABB in Cottbus. Hier war ich vor meinem Einstieg beim BIZ Leiter der berufspraktischen Ausbildung mit 56 Ausbildern und 500 Lehrlingen. Deshalb gab es gute Kontakte zu ABB und es konnte schnell eine neue Lösung für das BIZ gefunden werden. Heute befindet sich das BIZ direkt bei der IHK Cottbus in der Goethestraße.

FORUM: Warum wurde das BIZ überhaupt gegründet?

Jörg Fabiunke: Das Thema Aus- und Weiterbildung ist ein zentrales Thema der IHK. Mit der Ausgründung des ganzen Themenkomplexes sollten die IHK-eigenen Abschlüsse gestärkt und gesichert werden. Die IHK-Weiterbildungen waren in den 90iger Jahren so stark nachgefragt, dass der Aufbau eines Bildungszentrums notwendig wurde. Außerdem war es durchaus sinnvoll, die wirtschaftliche Tätigkeit einer Bildungseinrichtung von den sonstigen Aufgaben einer IHK abzugrenzen. Diese werden schließlich von den Unternehmen direkt finanziert.

FORUM: Gibt es Angebote, die von Beginn an bis heute zur Verfügung stehen?

Jörg Fabiunke: Ja, die gibt es. Zum sogenannten Kerngeschäft gehören die Ausbildung der Ausbilder, die Industriemeister und die kaufmännische Aufstiegsfortbildung. Diese drei gibt es seit der Gründung des BIZ bis heute. Die Aufstiegsfortbildung ist dabei immer sehr nachgefragt. Hier geht es um die Weiterbildung nach der Berufsausbildung bis hin zum Fach- oder Betriebswirt. Dieser Aufstiegsfortbildung fühlt sich das BIZ am stärksten verpflichtet.

FORUM: Welche Angebote gab es darüber hinaus?

Jörg Fabiunke: Neben dem Kerngeschäft gab es beim BIZ immer wieder größere, geförder te Projekte, mit denen wir die Wirtschaft unterstützten. Mitte der 90er Jahre boten wir beispielsweise eine kostenfreie Managementweiterbildung für Unternehmer an, die sich nach der Wende selbstständig machten. Diese waren meist fachlich gut aufgestellt, hatten aber mitunter Schwächen zum Beispiel in BWL, Recht und Marketing. Mit diesem sehr kostenintensiven Projekt unterstützten wir rund 350 Unternehmer in der Gründungsphase. Bis Anfang der 2000er Jahre gab es auch ein Projekt vom Bundesinstitut für Berufsbildung, bei dem das Ausbildungspersonal qualifiziert wurde. Das lief ebenfalls sehr erfolgreich. Hierbei bildeten wir rund 1000 Ausbilder pro Jahr aus. Ein drittes großes Projekt war das Existenzgründerprojekt, bei dem innerhalb von einer Woche die Gründungsidee und der Existenzgründer einem gründlichen Check unterzogen wurden.

FORUM: Existenzgründer gibt es ja aber auch heute noch – gibt es da immer noch Angebote im BIZ?

Jörg Fabiunke: Natürlich gibt es die Existenzgründerberatung auch heute noch bei der IHK. Direkte Weiterbildungen oder Checks dazu bietet das BIZ nicht mehr an. Diese wurden durch das Team von Zukunft Lausitz übernommen.

FORUM: Das heißt, es gibt auch immer wieder Veränderungen im Angebot?

Jörg Fabiunke: Natürlich. Neben dem Kerngeschäft passen wir uns mit den Angeboten immer der Nachfrage an, zum Beispiel im Bewachungsgewerbe, und wir haben uns im Laufe der Jahre immer breiter aufgestellt.

FORUM: Sie erwähnten das Bewachungsgewerbe, was hat es damit auf sich?

Jörg Fabiunke: Hier hatte die Flüchtlingskrise große Auswirkungen auf unser Angebot. Der Gesetzgeber fordert in diesem Bereich eine Mindestqualifizierung laut Gewerbeordnung. Seit Anfang der 2000er Jahre bildeten wir deshalb in einer Wochenschulung Personal für das Bewachungsgewerbe aus. Das waren im Durchschnitt immer so 50 Teilnehmer pro Jahr. Während der Flüchtlingskrise ging diese Zahl auf rund 1000 Teilnehmer hoch, aktuell ist die Nachfrage noch einmal stark gestiegen und wir sprechen von rund 2000 Teilnehmern.

FORUM: Gibt es auch Kurse, die man als sogenannte Ladenhüter bezeichnen könnte?

Jörg Fabiunke: Leider ja. Und zwar betrifft das zum Beispiel den, durch die Arbeitsagentur geförderten, Steuerfachangestellten. Obwohl es in diesem Bereich eine Berufsgarantie gibt, weil Steuerfachangestellte sehr nachgefragt sind, gibt es immer weniger Leute, die das machen wollen oder können. Hier haben wir aktuell keine zehn Bewerber mehr.

FORUM: Veränderungen bestimmen nicht nur unser aller Leben, sondern auch ein Bildungszentrum. In welchen Bereichen waren Veränderungen unausweichlich?

Jörg Fabiunke: Auch bei uns ging in einigen Bereichen die Nachfrage im Laufe der Jahre immer weiter zurück. Da die kaufmännische Ausbildung aber zu unserem Kerngeschäft gehört, konnten wir sie nicht einfach aufgeben, sondern haben sie modernisiert und verändert. Heute gibt es keine Einzelkurse mehr, sondern Module. So sind wir im Angebot flexibler. Interessenten können einzelne Module buchen und damit Zertifikate erhalten oder sie buchen eine Modulreihe, die zu einem IHK-Abschluss führt. So können wir auch eine Durchführungsgarantie geben. Dadurch haben wir viele Mehrfachtäter, die erst mit einem Modul beginnen und dann weitere absolvieren.

FORUM: Nun kommen wir bei einem Bildungszentrum nicht an dem Thema Corona vorbei. Wie beeinflusste die Pandemie das BIZ?

Jörg Fabiunke: Die Einschränkungen der Pandemie bedeuteten für uns, verstärkt Online-Kurse anzubieten. Hier hatten wir das Glück, dass wir seit 2015 mit einem entsprechenden Anbieter zusammenarbeiteten und bereits vor Corona das Thema Online-Unterricht auf dem Schirm hatten. Zunächst hatte es experimentellen Charakter, aber mit Beginn der Pandemie konnten wir relativ schnell auf Online-Unterricht umstellen. Wir konnten damit den Unterrichtsbetrieb im BIZ durchgängig aufrechterhalten. Seitdem bieten wir Hybrid-Unterricht an, bei dem die Teilnehmer selbst entscheiden, ob sie online oder in Präsenz dabei sind. 

FORUM: Hätten Sie jemals gedacht, dass Sie einmal Online-Unterricht anbieten werden?

Jörg Fabiunke: Nein. Das ist eine sehr rasante Entwicklung. Noch vor zehn Jahren war Online-Unterricht in diesem Umfang unvorstellbar.

FORUM: Sie klingen sehr zufrieden mit der Entwicklung des BIZ, gibt es etwas, was Ihnen negativ auf der Seele brennt?

Jörg Fabiunke: In der Tat gibt es da zwei Dinge. Natürlich kämpfen auch wir mit Nachwuchssorgen. Wir hatten einst 70 bis 80 freiberufliche Dozenten. Heute sind es noch etwa 50, deren Altersdurchschnitt ebenfalls wächst. Hier muss in Zukunft etwas getan werden. Große Sorgen bereiten mir zudem die Grundbildung und Einstellung der jungen Menschen von heute. In den 90er Jahren kamen die Teilnehmer regelmäßig zum Unterricht und bestanden ihre Prüfung. Heute wird ein Kurs angefangen, manche springen ab und die Durchfallquote ist nicht mehr so niedrig wie früher. Hier hat neben der Motivation der Teilnehmer unser Bildungssystem, von der Kleinkinderziehung bis zum Studium, eine große Mitschuld. Allerdings sind auch die Anforderungen der Arbeitgeber gestiegen, so dass diejenigen, die sich für eine Weiterbildung entschieden haben, oft große zeitliche Herausforderungen zu bewältigen haben.

FORUM: Zum Schluss sei eine persönliche Frage gestattet: Derzeit findet der Wechsel im Geschäftsführer-Bereich beim BIZ statt. Ab dem 1. Juli sind Sie im wohlverdienten Ruhestand, worauf freuen Sie sich am meisten?

Jörg Fabiunke: Auf die Zeit mit meinem vierjährigen Enkel und darauf, wieder mehr Zeit für meine Hobbys, dem Windsurfen an Nord- und Ostsee sowie Mountainbiken in den Bergen, zu haben. 

 

„Ich bin der Neue“ -  Zwischen Marc Niemann und dem BIZ

Marc Niemann übernahm am 1. April die Geschäftsführung für das IHK-Bildungszentrum (BIZ) in Cottbus. Ein frischeres und moderneres Erscheinungsbild, bei den Angeboten auf Bewährtes aufbauen und trotzdem mit der Zeit gehen – das hat sich der 42-jährige Spreewälder vorgenommen. Er passt nicht ins Schema F und doch passte es von Anfang an mit ihm und dem BIZ, wie er im Interview berichtet.

FORUM: Herr Niemann, Sie sind der Neue im BIZ, wie Sie sich selbst vorstellen und dennoch sind Sie kein neues Gesicht im IHK-Bildungszentrum.

MARC NIEMANN: Richtig. Vor drei Jahren wurde ich aus meinem privaten Umfeld darauf hingewiesen, dass das BIZ Coaches und Dozenten sucht. Daraufhin habe ich mich einfach beworben. Ich fing dann neben meiner selbstständigen Tätigkeit als Coach für ein paar Stunden im BIZ an.

FORUM: Ihre Trainings und Coachings waren schnell ausgebucht – warum?

MARC NIEMANN: Vielleicht war meine unkonventionelle Art schuld daran. In meinen Bewerbungstrainings und Coachings habe ich mich nicht nur auf die Bewerbungsmappe konzentriert, sondern auch auf tägliche Arbeiten im Beruf. Ich bin mit meinen Teilnehmern ins Praktikum gegangen und habe gemeinsam mit ihnen gemalert, Teppiche rausgerissen, in der Backstube geholfen, in der Pflege unterstützt oder im Einzelhandel verkauft. Meine Schützlinge, wie ich viele von ihnen gern nenne, konnten sich so im Praktikum erproben und meistens hat es dann mit der Einstellung auch geklappt.

FORUM: Wie ging es weiter?

MARC NIEMANN: Ich übernahm im BIZ nicht mehr nur Bewerbungstrainings, sondern organisierte auch Integrationskurse. Als mit Beginn des Ukraine-Krieges das BIZ förmlich überrannt wurde, half ich zudem bei Sprachbarrieren und der Gesamtorganisation.

FORUM: Wie kam es dann dazu, dass Sie sich als Geschäftsführer für das BIZ bewarben?

MARC NIEMANN: Es war eigentlich ein Prozess mit mir selbst. Ich bin immer weiter in das Thema BIZ eingestiegen und hatte viel Spaß dabei. Als mich Herr Fabiunke auf die Ausschreibung hinwies, überlegte ich ein paar Tage und gab dann meine Bewerbung ab.

FORUM: Sie waren über viele Jahre Ihr eigener Chef – haben Sie Bedenken, dass es der falsche Schritt gewesen sein könnte?

MARC NIEMANN: Nein, überhaupt nicht. Auch wenn ich nicht der typische Geschäftsführer bin, passte es vom Gefühl her von Anfang an beim BIZ und mir.

FORUM: Sie sprechen es selbst an: Sie sind nicht der typische Geschäftsführer, man bezeichnet Sie sogar als flippig.

MARC NIEMANN: Lacht. Ja, ich bin anders. Ich mag farbenfrohe Kleidung und bin offen heraus. Ich sage, was ich denke. Ich würde mich als liebfrech und modern bezeichnen. Mir ist es außerdem wichtig, im BIZ im Alltag präsent zu sein und den Kontakt zu den Teilnehmern, aber auch den Dozenten zu halten. Deshalb übernehme ich auch gern den Frühdienst, der alles für den Unterricht vorbereitet, also zum Beispiel die Technik hochfährt, und der Ansprechpartner für kurzfristige Fragen ist. Außerhalb des Frühdienstes kann man aber auch unkompliziert bei mir vorbeischauen, da meine Bürotür eigentlich fast immer offen steht. Ich werde mit Sicherheit ein paar Coachings selbst durchführen und auch mal hier und da eine Stippvisite in den Klassenräumen machen.

FORUM: Wie war Ihr Start beim BIZ? Sie hatten ja eine dreimonatige Übergangsphase gemeinsam mit Herrn Fabiunke.

MARC NIEMANN: Ich bin sehr dankbar für diese hilfreiche Einarbeitung. Von den Mitarbeitenden und Dozenten bekam ich bisher nur positives Feedback und wurde sehr gut aufgenommen. Mit Herrn Fabiunke habe ich eine perfekte gemeinsame Basis und eine tolle Zusammenarbeit, auch wenn sich natürlich nach 30 Jahren mit ein und demselben Geschäftsführer einiges ändern wird.

FORUM: Was soll sich ändern beim BIZ?

MARC NIEMANN: Auf jeden Fall nicht alles! Die Wohlfühlatmosphäre, das familiäre Miteinander, das tolle Team an Dozenten und nicht zuletzt meine Begeisterung für das BIZ sollen bleiben. Ich kommuniziere aber auch ganz klar: Mit mir kommt was Neues. Das BIZ hat sein Kerngeschäft mit den Themen Integration, kaufmännische Weiterbildungen, Bewachungsgewerbe, Coachings und Onlinekurse. Das ist auch gut so und das soll auch bleiben. Ich möchte das bisherige Angebot mit neuen Aspekten zusammenführen. Das BIZ muss sich für die Zukunft aufstellen, indem es Angebote macht, die zusätzlich noch gebraucht werden. Dazu möchte ich mit den Firmen ins Gespräch kommen.

FORUM: Haben Sie bereits Ideen für erste Eckpunkte?

MARC NIEMANN: Die Themen Strukturwandel und Arbeitskräftemangel sind die Herausforderungen, die uns bereits beschäftigen und noch lange begleiten werden. Hier wird es nicht ohne Migration gehen. Auch wir müssen uns dem stellen und entsprechende Angebote schaffen. Der Zeitenwandel ist jetzt da, deshalb müssen wir überlegen, was wir anders machen können.

FORUM: Gibt es erste Änderungen?

MARC NIEMANN: Ja, im Umgang miteinander habe ich eine andere Kultur eingeführt. Die Mitarbeitenden sollen nicht nur arbeiten, sondern sich wohl fühlen. Mir war es wichtig, eine gewisse Nähe untereinander zu schaffen, deshalb habe ich das DU als offizielle Ansprache zur Diskussion gestellt und abstimmen lassen, wer es möchte.

FORUM: Mit welchem Ergebnis?

MARC NIEMANN: Es wurde einstimmig für das DU entschieden. Auch an dem Thema Work-Life-Balance werden wir nicht vorbeikommen, sowohl intern als auch vom Angebot her.

FORUM: Wie läuft es mit der DU-Kommunikation untereinander?

MARC NIEMANN: Bisher funktioniert es sehr gut. Wir haben bereits festgestellt, dass notwendige Kritik auch beim Du geht.

FORUM: Was muss sich Ihrer Meinung nach noch verändern?

MARC NIEMANN: Das BIZ muss mit seinem Angebot nach außen sichtbarer werden. Hier müssen wir neue Kanäle, in denen wir unser Angebot bewerben, erschließen. Außerdem möchte ich gern, dass das BIZ als Motivationsschub wahrgenommen wird. Motivation ist gleich Wissen und Wissen vermitteln wir.

FORUM: Herr Niemann, gestatten Sie mir zum Schluss eine etwas persönlichere Frage: Wir haben während des Interviews sehr viel gelacht. Ist gute Laune für Sie essentiell?

MARC NIEMANN: Definitiv. Ich brenne für meine neue Aufgabe und bin voller Begeisterung. Das möchte ich gern weitergeben. Außerdem bin ich ein lebensfroher Mensch.

 

Die Interviews führte Dunja Petermann für das FORUM-Magazin. 

 

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