Innenstadtwettbewerb - Räume kreativ weiterdenken

Wenn etwas als Lost Place zu bezeichnen ist, dann die ehemalige Brennerei Riedel in Altdöbern. Zu den Herausforderungen von Lokatorium-Chef  Christian Schlodder gehört auch das Entstauben von regionaler Wirtschaftsgeschichte.
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Wenn etwas als Lost Place zu bezeichnen ist, dann die ehemalige Brennerei Riedel in Altdöbern. Zu den Herausforderungen von Lokatorium-Chef Christian Schlodder gehört auch das Entstauben von regionaler Wirtschaftsgeschichte.

Im Themenbereich A „Räume weiterdenken – kreative Nutzungsideen“ wurden 15 Beiträge eingereicht, bei denen Gebäude und öffentliche Räume über ihre alte bzw. bestehende Nutzung hinaus weitergedacht werden. Es ging um innovative Strategien zum Umgang mit Leerstand, kreative auch temporäre Nutzungsideen, die zu einer Neubelebung von (Frei-)Räumen und alten Bauwerken beitragen und damit die Innenstädte dauerhaft positiv beeinflussen.

Lokatorium Altdöbern

In dieser Rubrik erhielt das Altdöberner Lokatorium einen Preis über 10.000 Euro. Hier soll das Gelände der ehemaligen Brennerei Riedel im Ortskern wiederbelebt werden. Die Brennerei entstand 1798 und wurde bis zu ihrer Insolvenz Anfang der 1990 Jahre betrieben. Seither verfällt das Gelände und war durch eine komplexe Eigentumsstruktur nur schwer in Nutzung zu bringen. Die Projektgruppe konnte gemeinsam mit der Gemeinde Altdöbern das stark mit Grundschuld belastete Gelände wieder schuldenfrei und den Weg für eine zukünftige Nutzung frei machen. Nun soll ein neues Innenstadtquartier mit Mischnutzung entstehen. Es sind unter anderem die Wiederansiedlung der Destille, Flächen für Kreativwirtschaft, Übernachtungsmöglichkeiten, Seminarräume sowie Platz für Einzelhandel, Dienstleistungen, Kultur, lokale Vereine und Gewerbe geplant. Christian Schlodder, Jahrgang `87, ist in Altdöbern geboren und aufgewachsen. Wie  so viele seiner Generation zog er nach Schulabschluss von zu Hause weg. Die Lausitz bot zu wenig Perspektive. Der gelernte Industriekaufmann ist heute Geschäftsführer eines Berliner IT-Unternehmens mit mittlerweile über 35 Angestellten. Er ist erfolgreich. aber die Lausitz ließ ihn nicht los. Ein Freund aus München, durch die Coronaphase verstärkt stadtmüde, suchte Atelierräume im ländlichen Raum. Daraus kann man doch ein eigenes Projekt entwickeln, kamen beide auf die Idee.

Christian Schlodder: „Uns war von Beginn an klar – wenn daraus etwas tragfähiges werden soll, kann sich das nicht nur in üblichen Kreativräumen erschöpfen, sondern muss auch wirtschaftlich darstellbar sein.“

Doch wo? Der Altdöberner entdeckte das seit drei knapp Jahrzehnten ungenutzte, teils ruinöse Gelände der ehemaligen Riedel-Brennerei, ein Ort mit reichhaltiger Geschichte, aber auch jeder Menge ungelöster eigentumsrechtlicher Fragen.

Heimatliebe und Phantasie

„Da müsste mal jemand …“ – das hatte Schlodder schon oft genug gehört. „Nein, wenn, dann müssten wir mal!“

meinte er nach der Besichtigung des mittlerweile typischen Nachwende-Lost Place. Seine Hartnäckigkeit war geweckt, verbunden mit seiner ungebrochenen Heimatliebe und einer gehörigen Portion Idealismus und Phantasie. Seine unternehmerische Erfahrung hielt ihn jedoch von Blauäugigkeit ab. Im gerade mal zweieinhalbtausend Einwohner großen Altdöbern, einem Ort eher an der Peripherie des Strukturwandels gelegen,

„kann man nicht einfach so ein Raumschiff aus Großstadtkultur landen“, lacht er. Davon gäbe es genug gescheiterte Beispiele. „Es muss zur Region, zu den Menschen vor Ort passen“, so Schlodder

,darauf aufbauend könne man dann auch neue Facetten einbringen. Die erste Hürde des Lokatoriums hätte wohl die meisten anderen als „Glücksritter“ scheitern lassen. Dank eines Mitstreiters mit Kompetenzen der Immobilienwirtschaft gelang es, „die chaotischen Eigentumsverhältnisse“ zu ordnen, zusammenzuführen, die Entschuldung (mit eigenen Mitteln) durchzuführen und lokale Entscheider zu überzeugen.

„Zwei Jahre hat das gedauert. Aber unser Team war sich einig. Wir wollen was Bleibendes schaffen..“

Die Weichenstellung ist gelungen. Jetzt gilt es, den Kaufprozess abzuschließen, Projektskizzen zu qualifizieren, um dann die Bauvorplanung und Bestandssicherung anzugehen. Voraussichtliche Kosten: 9,5 Millionen Euro!

Kein klassisches Renditeobjekt

Auftraggeber ist dann die Lokatorium UG. Damit gehen die Mannen um Christian Schlodder in die haftbare Verantwortung, denn Eigentum verpflichtet, wie es bekanntermaßen heißt. Wer mal sich in den „Untiefen“ der alten Brennerei Riedel umschauen konnte, wird solches Eigentum auf den ersten Blick zwar spannend, aber eher wenig attraktiv finden. Es gibt unglaublich viel zu tun, doch wo fängt man an, anzupacken? Den Altdöberner Enthusiasten jedoch ficht das nicht an.

„Alle im Team haben einen unternehmerischen Background, wir wissen, dass unsere Idee der Mischnutzung wirtschaftlich tragbar ist. Ein klassisches Renditeobjekt allerdings wird es nicht werden, das ist auch nicht unser Anspruch.“

Etwa 2030, so der bisherige Plan, soll nach Abschluss der Bauphase das Lokatorium ins Laufen kommen. Dazu ist bereits die Suche nach Fördermitteln, Investoren und Partnern gestartet. Auch mit potenziellen Betreibern einer Destille in dem geschichtsträchtigen Ensemble mitten im Ortskern gab es bereits erste Gespräche.

Alle Gewinner und mehr zum Brandenburger Innenstadtwettbewerb erfahren Sie hier www.cottbus.ihk.de/innenstadtwettbewerb-2023-24

Der Artikel von Jörg Tudyka erschien im Forum 06|2024

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