„Die Erwartungen sind auf beiden Seiten sehr hoch“ - Thomas Pfuhl im Interview

Thomas Pfuhl (vorn, 3. v. l.) von der IHK Cottbus zu Gast in der Sprachschule von Thuy Nguyen in Hanoi.
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Thomas Pfuhl (vorn, 3. v. l.) von der IHK Cottbus zu Gast in der Sprachschule von Thuy Nguyen in Hanoi.

Wie sind Sie zu dem Job und Projekt gekommen?

Thomas Pfuhl: „Ich bin seit dem 1. Oktober 2022 für das Projekt tätig. Für mich war es eine gute Fortsetzung meines Berufsweges. Ich war viele Jahre im Ausland unterwegs. Ursprünglich komme ich aus der KFZ-Branche, bin qualifizierter KFZ-Meister und war bei meiner langjährigen Tätigkeit als Kundendienstleiter in einem Autohaus sehr erfolgreich. Später habe ich eine andere Herausforderung gesucht und mich als Entwicklungshelfer beworben. Mein erster Einsatz 2004 brachte mich für zwei Jahre nach Vietnam. Es folgten Einsätze in Indien, Laos und wieder Vietnam. Etwa zehn Jahre verbrachte ich in Südostasien in der Entwicklungsarbeit, das war auch eine Herzensangelegenheit für mich. Während der Zeit an einer Berufsschule in Laos habe ich auch meine Frau kennengelernt. Zuletzt war ich für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ als Berater an einer vietnamesisch-deutschen Berufsschule tätig. Die Umstände während der Corona-Pandemie zwangen mich zur Rückkehr nach Deutschland und nach einer Pause zur beruflichen Neuorientierung kam das Angebot der IHK Cottbus genau im richtigen Moment für mich.“

Sie waren im Dezember im Rahmen des Projektes in Vietnam, wen haben Sie besucht?

Thomas Pfuhl: „Ich habe zwei Berufsschulen besucht, das Technische College LILAMA2 und das Vietnamesisch-Deutsche Technische College Ha Tinh, vier Personaldienstleister und deren Sprachschulen, Büros der GIZ in Ho-Chi-Minh-Stadt und Hanoi sowie die Außenhandelskammer der AHK in Hanoi. Kontaktpersonen zu Personaldienstleistern habe ich bereits vor meiner Reise kennenlernen dürfen, durch die Unternehmen „Autohaus Schulze“ und die „Sakana Sushi Bar“, welche beide in Vietnam aktiv sind oder bereits vietnamesische Mitarbeiter eingestellt haben. Der vietnamesische Geschäftspartner von Matthias Schulze begleitete mich sogar teilweise als Dolmetscher, da er in der Zeit seine Familie besuchte.“

Welche Hürden gibt es bei der Fachkräftegewinnung aus Vietnam?

Thomas Pfuhl: „Die größte Hürde ist zweifelsfrei die Sprache. Auch wenn es formal nicht zwingend erforderlich ist, sollten ausgelernte Fachkräfte zunächst die deutsche Sprache lernen, bevor sie eine langfristige Tätigkeit in Deutschland aufnehmen. Dann müssen die Berufsabschlüsse in Deutschland anerkannt werden, was nicht immer reibungslos abläuft. Die Ausbildungsinhalte in Vietnam und in Deutschland überschneiden sich zwar in vielen Bereichen, sind in der Regel aber nicht zu 100 Prozent identisch. Die Überprüfung des im Ausland erlernten Berufes nimmt im Zuwanderungsverfahren die meiste Zeit in Anspruch. Auch sind die Erwartungen auf beiden Seiten sehr hoch. Die Unternehmen erwarten in der Regel sofort einsetzbare Fachkräfte, die Fachkräfte erwarten eine angemessene Vergütung und Unterstützung dabei sich in Deutschland einzuleben.“

Ist die Azubigewinnung auch ein Thema?

Thomas Pfuhl: „Ja, darauf liegt ein weiterer Schwerpunkt des Projekts. Die dortigen Sprach- und Berufsschulen orientieren sich in ihren Ausbildungsgängen stark an der Ausbildung in Deutschland und haben auch häufig deutsche Kooperationspartner. Hinzu kommt, dass die vietnamesischen Interessenten neben der Sprachschule auch die Personalvermittlung und teilweise sogar die Flüge bis nach Deutschland selbst finanzieren. Das Niveau der Ausbildung ist – egal ob für Sprache oder berufliche Qualifikationen in Vietnam sehr hoch. Selbst wenn nicht jede Ausbildung zu 100 Prozent dem deutschen Standard entspricht, ist die Anerkennung der an diesen Schulen erworbenen beruflichen Abschlüsse in den meisten Fällen in Deutschland möglich.

Eine Herausforderung ist natürlich, dass die jungen Menschen sich hier in Deutschland auch wohlfühlen, damit sie ihre Ausbildung auch erfolgreich absolvieren. Das erfordert eine intensive Begleitung, was für kleine und mittelständische Unternehmen nicht immer einfach umzusetzen ist. Wenn sie ausgelernt sind, sollen sie auch bleiben. Hierfür sind eine Willkommenskultur und die Aufnahme in vietnamesische Communities in der Region entscheidend.“

Welches Angebot kann die IHK interessierten Unternehmen unterbreiten?

Thomas Pfuhl: „Wir sind dabei, eine Plattform aufzubauen zur Vernetzung ausgewählter Partner in Vietnam und den Unternehmen aus unserem Kammerbezirk. Interessierte Betriebe können für ein Beratungsgespräch auf mich zukommen. Danach veröffentlichen wir die ausgeschriebene Stelle mit dem Firmensteckbrief auf der Plattform. Nach Bewerbungseingang unterstützen wir die kooperierenden Unternehmen bei den Themen Berufsanerkennung sowie bei den Formalitäten zum Jobstart bzw. bei einer Ausbildung. Wir begleiten die Bewerber und die Unternehmen in dem gesamten Prozess. Wir unterstützen dabei, Hürden von Anfang an zu vermeiden bzw. zu meistern und sind bemüht, eine gute Lösung für beide Parteien zu finden.“

Womit sind Sie momentan am meisten beschäftigt?

Thomas Pfuhl: „Aktuell bin ich dabei, die Bedarfe abzuklären, was wollen unsere Unternehmen? Sind es eher Auszubildende oder Fachkräfte? Welche Qualifikationen werden benötigt? Wir denken auch darüber nach, ob bei bestimmten Berufen einzelne Ausbildungsmodule bereits in Vietnam absolviert werden können. Auch werde ich regelmäßig die Einreiseregelungen überprüfen und kooperierende Unternehmen informieren. Zudem bin ich im direkten Kontakt mit ansässigen Betrieben in unserer Region, die bereits vietnamesische Mitarbeiter beschäftigen. Hier gibt es einen steten Austausch zwischen mir, den Fachbereichen bei uns im Haus und den Unternehmen.“

Gab es ein besonderes Erlebnis während Ihrer Vietnam-Reise im Dezember?

Thomas Pfuhl: „Ja, einen witzigen Zufall gab es tatsächlich. Als ich am 12. Dezember nach dem Besuch bei der Personalvermittlung CMMB mit meinem Dolmetscher am Hoan Kiem See zu Abend aß, betrat sein Sohn mit einer Delegation des Bürgermeisters von Berlin-Lichtenberg das Restaurant. Das Treffen kam aufgrund der seit 2015 bestehenden Städtepartnerschaft mit Hoan Kiem, einem Stadtbezirk von Hanoi, und des aktuellen Projekts „Solarenergie Hoàn Kiếm“ zustande. Am anderen Ende der Welt den Bezirksbürgermeister Michael Grunst von Berlin-Lichtenberg zu treffen, wo ich selbst aufgewachsen bin, das war schon sehr überraschend.“

 Das Interview zum Nachlesen finden Sie im FORUM-Magazin 3/2023

Ansprechpartner

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