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Mathias Bahl ist 1984 in Cottbus geboren und ist dort zur Schule gegangen. Er studierte in Lübeck und machte den Abschluss als Ingenieur für Medizintechnik. Er arbeitete in Leitungsfunktionen bei einem Großkonzern, wünschte sich aber mehr Eigenständigkeit. Zudem spielte er schon lange mit dem Gedanken, Norddeutschland wieder zu verlassen und in der alten Heimat ein eigenes Unternehmen zu gründen. Er informierte sich bei der IHK in Cottbus und lernte dabei auch die Wirtschaftsjunioren kennen – das Netzwerk der jungen Unternehmer und Führungskräfte. Auch der Tipp, sich auf der Nachfolgebörse Nexxtchange.org umzuschauen, kam von der IHK. Dort fand er das Unternehmensprofil der Technischen Bürsten und erhielt im Februar 2017 eine Einladung nach Spremberg.
Es wurde ein sehr ausführliches Gespräch mit dem Unternehmer. Für Mathias Bahl hat einfach vieles gepasst: Die Verantwortung für eine Firma, die Rückkehr in die Region, die Arbeit mit dem Naturprodukt Holz und nicht zuletzt das soziale Miteinander im Unternehmen. Es folgten noch zahlreiche Gespräche, auch mit einer Unternehmensberatung, bis sich Gründer und Nachfolger zum Jahreswechsel 2017 über den Kauf einig waren. Die notarielle Eintragung erfolgte dann zum Jahreswechsel 2019. Vorgänger Eberhard Gleitsmann hatte 1991 den ehemaligen VEB Technische Bürsten Spremberg zusammen mit seinem damaligen Partner Rudolf Linke als Management-Bye-Out von der Treuhand gekauft.
Mitgesellschafterin Steffani Meschzan, die Schwester von Mathias Bahl, ist in der Geschäftsführung für die Buchhaltung zuständig. Sie ist gelernte Kauffrau für Bürokommunikation und Wirtschaftsfachwirtin mit IHK-Abschluss. Mathias Bahl hat seine Schwester von ihrem früheren Arbeitgeber abgeworben. Er sagt:
„Bei den Finanzen geht es um Qualifikation und Vertrauen. Ohne Steffani hätte ich den Betrieb nicht übernommen. Die Technischen Bürsten waren ein Familienunternehmen und sind es geblieben.“
Zuvor hatten Gründer Eberhard Gleitsmann und dessen Ehefrau Gerlinde Gleitsmann in genau dieser Aufgabenteilung das Unternehmen geführt.
Von den aktuell 28 Beschäftigten sind viele schon über 40 Jahre im Betrieb. Man sagte früher in Spremberg: „Einmal Bürste, immer Bürste.“ Da scheint etwas dran zu sein. Der Geschäftsführer findet durch sein hohes Engagement neues Personal, die Firma ist offen für Quereinsteiger. Auch Mitarbeiter mit einer Behinderung bekommen eine Chance. Dafür können Unternehmer beispielsweise einen Zuschuss für die Eingliederung oder einen Nachteilsausgleich nutzen. Es sei sehr schnell herauszufinden, ob die Zusammenarbeit funktioniert, berichtet Mathias Bahl. Er hat mit seinen Mitarbeitern viele positive Erfahrungen gemacht.
Die Technische Bürsten GmbH liefert ihre Produkte in 50 Länder weltweit. Neben Europa sind auch Südamerika und Nordafrika wichtige Märkte. Dort habe „Made in Germany“ noch einen sehr guten Ruf, erklärt Bahl. Neben den vielen Direktkunden sind es überwiegend Großabnehmer, die containerweise Bürsten kaufen. Viele der Geschäftsbeziehungen bestehen seit Jahrzehnten, denn das Unternehmen exportierte schon zu DDR-Zeiten mit Erfolg und erwirtschaftete Devisen.
Deutsche Bürsten sind einzigartig. Kunststoff-Schäfte können überall produziert werden. Für Bürstenkörper wird bei der Technischen Bürsten GmbH ausschließlich Buchenholz verwendet. Die heimisch wachsende Buche eignet sich ausgezeichnet und ist eine tolle und wichtige alternative zu den billigeren Bürsten aus Tropenhölzern aus oft fragwürdigen Quellen. Mathias Bahl will den Export stärken und hatte dafür im vergangenen Jahr am Projekt „Fit ins Ausland – Restart Export“ der IHK Cottbus teilgenommen. Mit Webinaren, der Vorstellung von Zielmärkten und einem Unternehmenscheck unterstützt die IHK Mitgliedsunternehmen bei der Erschließung von Auslandsmärkten. Sie hatte dafür Länder mit besonders guter Wachstumsprognose ausgewählt, und tatsächlich konnte Mathias Bahl dadurch bereits einen neuen Geschäftskunden gewinnen.
Mathias Bahl ist ein Netzwerker. Er arbeitet mit verschiedenen Hochschulen der Region in Projekten zusammen, darunter auch mit der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Durch diesen Kontakt kam 2020 mit Frieda Henrici eine Studentin für Holzingenieurwesen ins Unternehmen. In ihrer Bachelorarbeit analysierte sie das Restholzaufkommen und entwickelte ein Konzept für die Weiterverwendung.
Frieda Henrici wurde nach dem erfolgreichen Studienabschluss im Frühjahr 2021 Innovationsassistentin bei der Technischen Bürste. Es ist eine von der ILB geförderte Stelle, die es dem Geschäftsführer ermöglicht, Projekte zu entwickeln, die sich nicht sofort in Euro und Cent auszahlen. Frieda Henrici optimiert den Rohstoffeinsatz. Die Firma benötigt über 550 t Holz im Jahr.
Holzabschnitte mit Ästen oder Rissen müssen aussortiert werden, auch Reststücke und Späne werden teilweise verheizt. „Buche liefert das beste Kaminholz, aber zum Verfeuern ist es oft noch zu schade“, fand der Geschäftsführer und machte daraus ein Projekt für die Innovationsassistentin. Henrici hat zuerst jeden Arbeitsgang untersucht und Zahlen über Zahlen ausgewertet. Im ersten Schritt war die Optimierung des Materialeinsatzes ihr Ziel. Sie verbesserte den Holzzuschnitt und sorgte so dafür, dass weniger Späne durch Hobeln und Fräsen abgetragen werden müssen.
Aktuell ist eine weitere Verbesserung der Reststoffverwertung mit Hilfe einer programmierbaren CNC-Technik geplant. Aus Restholz, das bisher zum Beispiel wegen Astlöchern nicht verarbeitet wurde, können Bürstchen in kleiner Serie hergestellt werden. Die Technische Bürste Spremberg hat dafür Maschinen von einem Betrieb aus Thüringen übernommen, für den sich kein Nachfolger gefunden hatte. Jetzt muss die Firma ihre Mitarbeiter an der Technik schulen und die neuen Prozesse in den Arbeitsalltag integrieren.
Über 180 Tonnen Holzspäne fallen jährlich im Unternehmen an. Sie werden teilweise verheizt und zum Beispiel an Räuchereien weiterverkauft. Das Buchenholz gibt ein hervorragendes Raucharoma ab, daraus entstand eine Geschäftsidee. Seit kurzem haben die Technischen Bürsten einen Onlineshop. Unter www.rauecherwelt.eu verkaufen sie Kaminholz, Räuchermehl und -späne von unbehandeltem Buchenholz und natürlich auch Grillbürsten direkt an den Endkunden. Darüber hinaus gibt es Anleitungen und Rezepte rund ums Thema. Die direkte Kundenbeziehung übers Internet ist für die Firma etwas Neues – sie vertreibt ihre Bürsten sonst meistens über den Großhandel.
Schon immer waren Menschen mit Behinderungen in der Bürstenbinderei ein wichtiger Bestandteil. Das BWS Spremberg ist auch heute Partner der Technischen Bürsten GmbH. Für die Räucherwelt schrauben die Werkstatt-Mitarbeiter Schaber an die Grillbürsten, verpacken Sägemehl und Hobelspäne in kleinen Papiersäcken und versenden diese. Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen ist schon immer ein positiver Nebeneffekt der Zusammenarbeit.
Frieda Henrici stammt aus Berlin-Schöneberg und lebt auch weiterhin in Berlin. Ihre Arbeit als Innovationsassistentin leistet sie zum großen Teil aus dem Homeoffice heraus. Mathias Bahl:
„Es läuft hervorragend. Frieda ist regelmäßig im Betrieb, aber als Ingenieurin kann sie ihre Projekte auch aus der Ferne betreuen. Onlinearbeit bietet sich an, wenn Unternehmen in der Umgebung nicht die benötigten Spezialisten finden.“
Die Zusammenarbeit von Bahl und Henrici funktioniert auch deshalb so gut, weil beide die gleiche Unternehmensphilosophie vertreten. „Das ist eine ökologisch und sozial verträgliche Produktion.“ Die ökonomischen Erfolge resultieren mehr denn je aus dieser Schwerpunktsetzung. „Alles auf Gewinnmaximierung auszurichten, ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt der Geschäftsführer.
Eigentlich wollte Frieda Henrici nach dem Abitur Design studieren. Das dafür nötige Vorpraktikum machte sie in der renommierten Holzwerkstatt Zweibaum in Berlin. „Beim Möbelbau bekam ich richtig Lust, mit Holz zu arbeiten, aber der einzige Ausbildungsplatz war schon vergeben“, berichtet Henrici. So kam sie zum Holzingenieurwesen, mit dem sich für sie eine neue Welt eröffnete. Mathe und Physik, Maschinenkunde und Machbarkeitsstudien waren ab da ihre Themen. In Spremberg ist es ihre Aufgabe, an der Entwicklung eines Traditionsbetriebes mitzuwirken. „Erhalten, erneuern, erweitern“, bringt sie das auf den Punkt und erläutert: „Wir schauen uns dabei alle Prozesse an, zum Beispiel: Die Firma arbeitet mit Maschinen, die zum Teil über 30 Jahre alt sind. Nach einer Generalüberholung sind sie aber so gut wie neu. Wir erweitern den Bestand durch neue Technik, wenn daraus ein neues Geschäft erwächst.“
Das Geschäft mit Räuchermehl und -spänen ist ein Experimentierfeld für Direktkundenbeziehungen. Es hat die Fantasie beflügelt, noch stärker jenseits der Drahtbürste zu denken. Bürsten aus unbehandeltem Holz und mit Naturborsten könnten auch im kosmetischen Bereich eine Nische besetzen. Eine Handwaschbürste hat es bereits in ein Geschenkpaket mit regionalen Erzeugnissen geschafft. Es wird von der Spremberger Rückkehrerinitiative „Heeme fehlste“ verteilt. Für Mathias Bahl, der heute mit seiner Familie in Spremberg lebt, ist es eine Herzenssache. Seine Biografie zeigt, welches Potenzial die Lausitz den Rückkehrern bietet.
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