Forderungspapier zur Landtagswahl

Symbolbild wehende Fahnen und Hinweis auf Landtagswahl
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Symbolbild wehende Fahnen und Hinweis auf Landtagswahl

Überblick:

1. Fachkräfte erschließen und Talente fördern

Alle Fachkräftepotenziale konsequent heben

Der Fachkräftemangel bleibt die größte Herausforderung der Wirtschaft. Aufgrund ihrer engen Verflechtung brauchen Berlin und Brandenburg dringend eine gemeinsame Fachkräftestrategie, denn vielerorts können Unternehmen aufgrund fehlenden Personals nicht mehr ihr gesamtes Potenzial ausschöpfen. Alle bestehenden Fachkräftepotenziale wie Langzeitarbeitslose, Menschen mit Migrationsbiografie und Geflüchtete im Land Brandenburg sind konsequent in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Hierfür sind jegliche Möglichkeiten wie Aktivierungsmaßnahmen, Sprach- und Integrationskurse, individuelle Unterstützungsangebote und bei Gelegenheit die duale Ausbildung sowie Anreizsysteme zu schaffen, die aktuellen Hemmnissen entgegenwirken. Menschen mit Behinderung müssen alle Chancen erhalten, am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Die Zusammenarbeit mit den Hochschuleinrichtungen ist darauf auszurichten, Studienabbrecher in den regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu integrieren. Gesetzliche Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass auch älteren Erwerbstätigen und Rentnern attraktive Arbeitsangebote unterbreitet werden können. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist als ganzheitlicher Ansatz der modernen Arbeitswelt zu betrachten. Dafür sind neben den Leistungen der Unternehmen weitere Rahmenbedingungen wie flächendeckende Kinderbetreuungsstrukturen, Ganztagsbetreuung und Pflegeplätze sicherzustellen.

Berufliche Orientierung und duale Ausbildung stärken

Junge Menschen stehen heute einer unübersichtlichen Anzahl an wählbaren beruflichen Optionen gegenüber. Eine berufliche Orientierung, die gleichberechtigt berufliche sowie akademische Ausbildungsmöglichkeiten darstellt, muss daher eine zentrale Aufgabe schulischer Bildung sein. Ihre Landesstrategie ist im Landesschulgesetz für alle Schulformen als verbindliche Grundlage zu definieren. Das Land und alle Akteure im dualen System müssen das Image der beruflichen Bildung verbessern. Die duale Ausbildung bleibt das wichtigste Instrument der Wirtschaft, ihren Fachkräftebedarf zu decken. Ihre Umsetzung nach bundeseinheitlichen Vorgaben ist durch hohe Standards in Oberstufenzentren abzusichern. Da diese entgegen anderen Schulformen im Digitalprogramm 2025 des Landes nicht explizit erwähnt werden, muss sich das Land auf die digitale Ausstattung und damit die Vermittlung zeitgemäßer Digitalkompetenzen fokussieren. Der Schulversuch “Distanzunterricht in der Berufsschule” ist zur Sicherung einer flächendeckenden beruflichen Beschulung weiterzuverfolgen und zu fördern. Bei der Suche nach qualifizierten Lehrkräften sind alle Wege der Fachkräftegewinnung – von Quereinsteigern, dem landeseigenen Studienangebot über attraktive Bedingungen bis zur überregionalen Akquise – zu nutzen. Neben der Ausbildungsleistung der Unternehmen sind weitere Anreize wie eine Mobilitätsgarantie (z. B. Azubi- bzw. Deutschlandticket, Azubi-Wohnen, Erhalt der Berufsschulstandorte) vom Land zu setzen.

Gezielte Fachkräfteeinwanderung effektiv fördern

Brandenburg benötigt neben qualifizierten Fach- und Arbeitskräften aus dem Inland auch die gezielte Zuwanderung aus dem Ausland. Die neuen gesetzlichen Regelungen bieten erweiterte Möglichkeiten der Zuwanderung aus Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten), dürfen aber nicht durch fehlende Ansprechpartner in den Behörden, langwierige und intransparente Verwaltungsverfahren sowie übermäßige Bürokratie vertan werden. Sowohl ausländische Fachkräfte als auch die Unternehmen sollten in diesem Verfahren gefördert, statt zusätzlich belastet werden. Ein Schulterschluss verschiedener Institutionen ist erforderlich, um einen besseren Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und eine Willkommenskultur zu etablieren. Das Land muss sich beim Bund für eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung einsetzen, damit die Unternehmen ihre Angebote erhalten können. Berlin und Brandenburg müssen beim Werben internationaler Fachkräfte die Chance als Hauptstadtregion stärker nutzen und enger zusammenarbeiten. Die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Aufnahme ausländischer Fachkräfte sind an den realen Bedarf anzupassen.

Berufliche und akademische Bildung gleichstellen

In Zeiten des Fachkräftemangels müssen mehr Menschen für die berufliche Bildung gewonnen werden. Die Berufliche Fort- und Weiterbildung als ein wesentliches Instrument der Fachkräfteentwicklung und -sicherung in den Unternehmen ist daher der akademischen Bildung gleichzustellen. Nicht nur wegen der rasanten technischen Dynamik, sondern auch, weil die demografische Entwicklung ein lebenslanges Lernen erfordert. Ihre Förderung und die der Aufstiegsqualifizierung ist weiter zu stärken und auszubauen. Weiterbildungskosten dürfen nicht zum Hemmnis für die Teilnahme an beruflicher Qualifizierung werden. Die Transformation der Wirtschaft aber auch der Wandel der Arbeitswelt erfordern Beratungs- und Förderkonzepte, die diesen Entwicklungen und den Bedarfen der Wirtschaft gerecht werden.

2. Verwaltung, Recht und Steuern modern gestalten

Plan- und Genehmigungsverfahren beschleunigen

Unternehmen verschiedener Branchen klagen über die wachsende Zahl von Berichtspflichten und bürokratischer Vorgaben. Ob bei Förderanträgen, geplanten Betriebserweiterungen oder der Errichtung größerer Anlagen – oft sind Planungs- und Genehmigungsverfahren langwierig und sehr bürokratisch. Um Transformationsprozesse voranzutreiben sind einfache Anträge, straffe und transparente Verfahren, klare Zuständigkeiten und rechtssichere Entscheidungen zwingend erforderlich. Dies umfasst in jedem Fall das Durchsetzen der auf Bundesebene beschlossenen Beschleunigungen und Vereinfachungen für Verfahren mit klaren Vorgaben und Handlungsanweisungen bis auf die kommunale Ebene. Dazu müssen Richtlinien der zuständigen Landesbehörden entsprechend verfeinert und eindeutige Handlungsanweisungen und Erlasse für die nachgeordneten Bereiche vorgegeben werden. Zu bürokratische und umständliche Anforderungen binden Personal und Finanzmittel, die an anderer Stelle fehlen. Zugleich sind zur Bewältigung der Genehmigungsverfahren behördliche Kapazitäten auszubauen. Das Land muss den Kommunen Anreize geben, sich stärker für eine unternehmensfreundliche Verwaltung einzusetzen. Vorgänge sind innerhalb zuvor definierter und transparenter Bearbeitungsfristen zu erledigen. Klare Leistungskriterien mit Fristen und permanentem Monitoring würden hierbei helfen.

Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben

Die Digitalisierung bietet erhebliche Chancen und die Wirtschaft hat klare Vorstellungen, wie moderne Verwaltung in einer digitalen Welt funktioniert. Vorhandene Angebote sind zu wenig aus (Unternehmens-)Nutzersicht konzipiert. Wirtschaftskammern und -verbände sollten bereits in der Konzeptionsphase konsequent eingebunden werden. In ihrem Beisein können bestehende digitale Angebote in Praxis-Checks regelmäßig verbessert werden. Informations- und Meldepflichten sollen durchweg digital erfolgen und das Einreichen von Unterlagen muss nach dem sogenannten Once-only-Prinzip geschehen. Dafür bedarf es einer schnellen und umfassenden Registermodernisierung. In der Finanzverwaltung ermöglicht die konsequente Nutzung digitaler Lösungen eine Vereinfachung und Beschleunigung von Steuerverfahren. Die Einführung der E-Rechnung im B2B-Bereich sowie die Digitalisierung von Betriebsprüfungen sind dabei wichtige Schritte. Das Land muss sicherstellen, dass alle Voraussetzungen geschaffen werden, damit auch kleine und mittlere Unternehmen ab dem Jahr 2025 elektronische Rechnungen erstellen und übermitteln können, unterstützt durch kostenfreie staatliche Tools. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) ist vollumfänglich auf Landesebene umzusetzen, dahinterliegende Prozesse sind zu digitalisieren.

Rechtliche Rahmenbedingungen vereinfachen

Eine gute Rechtsetzung bietet Unternehmen Sicherheit für Investitionen und Freiräume für Innovationen. Jedoch sind die bundeseinheitlichen Gesetze und Verordnungen sowie die enthaltenen Einzelnormen in den vergangenen zehn Jahren allesamt gestiegen. Auch ist das Regelungsumfeld in Brandenburg für kleine und mittlere Betriebe oft zu komplex und unverständlich, was externe Hilfe erfordert. Eine moderne Verwaltung ist entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen, was auch bedeutet, digitale Lösungen zur Abstimmung von rechtlichen Regeln besser einzusetzen. Zuständigkeiten in den Verwaltungen sind einfacher und Verwaltungsprozesse schlanker zu gestalten. Die Landesverwaltung muss eine effektive Personalplanung durchführen und Rahmenbedingungen schaffen, die faire Wettbewerbsbedingungen gewährleisten. Moderne KI-Anwendungen sind mit dem geltenden Rechtsrahmen nicht mehr vereinbar.

Steuerregeln modernisieren und vereinfachen

Steuerliche Belastungen und die damit verbundene Bürokratie beschäftigen Unternehmen im nationalen wie internationalen Kontext. Die Gesamtsteuerbelastung, einschließlich lokaler und regionaler Abgaben, ist in Brandenburg und Deutschland im internationalen Vergleich zu hoch. Einige Länder haben kürzlich ihre Steuersätze gesenkt, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Die Landespolitik muss sich auf Bundesebene für die Vermeidung von Steuererhöhungen und die Senkung der Steuerlast einsetzen. Verbesserungen bei Abschreibungsmöglichkeiten und die Begrenzung der kalten Progression sind dringend notwendig. Anpassungen bei der Grundsteuerreform dürfen nicht zu Mehrbelastungen führen. Die Gestaltung der Gewerbesteuerhebesätze sollte mittelstandsorientiert sein und ihre Anrechenbarkeit verbessert werden. Das Hauptziel muss die Vereinfachung des Steuersystems bleiben.

3. Infrastruktur nachhaltig ausbauen

Infrastrukturprojekte finanzieren und beschleunigen Der steigende Wirtschafts- und Individualverkehr im stark wachsenden Berliner Umland, das große, flächenbedingte Interesse am ländlichen Raum und die Lage im Zentrum mehrerer transeuropäischer Verkehrskorridore erfordern eine zukunftssichernde Infrastruktur, die weit über den heutigen Status quo hinausgeht. Verkehrswegeprojekte mit regionaler bis überregionaler Bedeutung wie der Ausbau der A 14 oder der Bahnverbindung in die Lausitz kommen nicht merklich voran. Die vordringlichen Straßenvorhaben des Bundesverkehrswegeplans (A 10, A 12 und B 96) sind zu beschleunigen, der zum Teil marode Zustand des Landesstraßennetzes benötigt mehr Mittel und Beständigkeit bei der Instandsetzung und Unterhaltung sowie notwendige Lückenschlüsse. Dafür sind die Ressourcen beim Landesbetrieb für Straßenwesen deutlich zu erhöhen. Die 13 Schienenprojekte des Strukturstärkungsgesetzes aus dem Jahr 2020 sind mit Unterschrift des Landes zu bestätigen und schnellstmöglich mit Planungskapazitäten der DB Netz AG zu versehen. Das Projekt i2030 muss fortgeschrieben werden und mit konkreten Umsetzungen aufwarten. Die Bundesratsinitiative für die Beschleunigung beim Bau und der Planung von Schiene und Straße ist vom Land zu unterstützen. Für eine vollflächige Netzabdeckung ist im Rahmen des Baurechts die Genehmigungspraxis zu optimieren oder eine zielgerichtete Förderung auszubauen. Erarbeitete Strategien, so zur 5G-Technologie, sind zügig umzusetzen.

Infrastrukturelle Herausforderungen nachhaltig angehen

Nur zögerlich nähern sich Berlin und Brandenburg einem vereinten Vorgehen bei der Verkehrsentwicklung an, dabei bietet der Ausbau gemeinsamer Schwerpunkte erhebliche Chancen für den Wirtschaftsverkehr im Herzen Europas. Neben der politischen Stärkung und Vermarktung des BER und der Optimierung seiner Prozesse sind seine Umfeldpotenziale besser zu nutzen. Die in der IHK-Verkehrs- und Engpassanalyse zur Flughafen- und Umfeldanbindung sowie zur Teslaregion ermittelten verkehrlichen Engpässe und Nadelöhre bei Schiene und Straße sind dringend anzugehen. Das Pendleraufkommen und die Suburbanisierung der kommenden Jahre erfordert mehr Schienenkapazitäten nach Berlin. Bislang wurden jedoch weder neue Bahnstrecken aktiviert, noch neue Haltepunkte in Brandenburg gebaut. Der ländliche Raum braucht endlich ein besseres und qualifizierteres Angebot an ÖPNV-Leistungen für die Zukunft. Zur Stabilisierung berlinferner Regionen sind nachfragegerechte Verkehrsangebote nötig. Ohne Alternativen wird der Individualverkehr dort zum Wachstumshemmnis. Die Radverkehrsstrategie sollte die Landkreise ermuntern über ihren Tellerrand hinaus zu denken, auch nach Berlin hinein.

Stadtentwicklung mit Mobilitätsstrategien vereinen

Der Einkauf ist nach wie vor der wichtigste Grund für den Innenstadtbesuch. Die Erreichbarkeit der Städte bleibt die Voraussetzung für den Besuch der Geschäfte und aller weiterer Aufenthaltsangebote vor Ort. Maßnahmen zur Emissions- und Lärmminderung sind mit Augenmaß und stufenweise zur Zielkonfliktvermeidung einzuführen. Für moderne und zukunftsorientierte Einzelhandels- und Verkehrskonzepte sind alle Innenstadtakteure gleichwertig mitzunehmen – der ÖPNV, der Rad- und Fußverkehr sowie der motorisierte Individual- und Wirtschaftsverkehr für alle Besuchergruppen. Eine intelligente Verkehrslenkung und moderne Parkraumkonzepte, auch für den Radverkehr, helfen dabei. Bahnhöfe sind als Mobilitäts-Hubs mit Verleihstationen von Fahrrädern, E-Bikes, Carsharing und sicheren Fahrradparkplätzen auszubauen. Die verlässliche Fahrradmitnahme im Schienenpersonennahverkehr an Wochenenden und in den Ferien stellt eine zwingende Voraussetzung für die Verkehrswende dar. Das „Radnetz Brandenburg“ ist – mit Berlin abgestimmt - zügig umzusetzen. Die Umgestaltung der durch Verkehrsberuhigung frei gewordenen Flächen zur besseren Aufenthaltsqualität durch Einzelhandel und Gastronomie muss gefördert werden.

Wirtschaftsmotor Wassertourismus stärken

Brandenburg ist eines der wasserreichsten Bundesländer. Der Bootstourismus hat sich in der Hauptstadtregion zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Vor allem in den ländlichen Regionen ist er zu einem unverzichtbaren Wirtschaftsfaktor geworden. Durch die nachweislich hohe Kaufkraft und Vernetzung im Wassertourismus profitieren viele nachgelagerte Branchen, die Stadt- und Regionalentwicklung, Beschäftigung und Lebensqualität. Die Schleuseninfrastruktur in Brandenburg ist jedoch mehr als 100 Jahre alt und teils in sehr schlechtem Zustand. Die Instandhaltung und Pflege der Wasserstraßen und wichtigsten, reparaturbedürftigen Schleusen müssen in den nächsten Jahren gezielt gefördert und durchgeführt werden. Der aufgestellte Masterplan „Freizeitschifffahrt in Brandenburg“ muss Anwendung finden und eine mit dem Bund abgestimmte Gesamtstrategie für die Sanierung der Schleusen erarbeitet werden.

4. Unternehmertum und Innovation fördern

Nachfolge erfolgreich gestalten

Die Geschäftsführung in rund 55.800 Brandenburger IHK-Mitgliedsunternehmen mit rund 211.400 Beschäftigten ist älter als 55 Jahre. Mit der Unternehmensnachfolgerichtlinie hat das Land einen Baustein für die thematische Erstansprache gelegt, jedoch reicht die inhaltliche Ausgestaltung für die eff ektive Bewältigung der komplexen Herausforderungen nicht aus. Drei von fünf Senior-Unternehmerinnen und -unternehmern müssen ihre Nachfolge durch einen externen Verkauf realisieren. Zugleich fehlen Nachfolgerinnen und Nachfolger. Der demografi sche Wandel verschärft den Nachfolgedruck in den kommenden Jahren und zugleich wirken sich die Entwicklungen der letzten drei Jahre auch auf die Nachfolgelandschaft aus. Es wird dringend eine weiterführende geförderte Prozessbegleitung benötigt, die vor allem die Vorbereitung von Inhabern und Unternehmen umfasst und damit die Übergabefähigkeit verbessert. Die im aktuellen Koalitionsvertrag fixierte, landesweite Matching-Plattform ist umzusetzen, um die Kontaktanbahnung eff ektiv zu fördern und intensiv zu begleiten. Eine landesweite Imagekampagne soll öff entlichkeitswirksam die Übernahmegründung als eine hochattraktive Gründungsform bewerben. An Schulen und Hochschulen sind das Wirtschaftswissen und die zeitige Sensibilisierung für Unternehmertum, Gründung und Nachfolge in Brandenburg zu stärken.

Gründungs-/Start-up-Ökosystem entwickeln

Gründen und Nachfolge müssen zentrale Anliegen der Politik sein und deswegen sind Maßnahmen aus der vorherigen Legislatur zu verstetigen. Mit „Gründen in Brandenburg – durchstarten“ hat das Land eine Initiative gestartet, die bisher kaum bekannt wurde und daher zwingend eine überregionale PR-Kampagne braucht. Bei innovativen Gründungen ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Berlin unabdingbar. Unabhängig davon darf sich die Brandenburger Gründungsförderung nicht allein auf innovative Unternehmen fokussieren, sondern muss auch Gründungen zur Daseinsvorsorge berücksichtigen, da sie für regionale Strukturen von besonderer Bedeutung sind. Startups werden in der aktuellen Gründungs- und Nachfolgestrategie des Landes nur einmal im Zusammenhang mit einer Bundesförderung erwähnt. Daher muss das Land aufgrund der dynamischen Entwicklung und Potenziale strategische Ziele formulieren und passende Unterstützung bereitstellen. Mit Hochschulen, Kammern und Wirtschaftsförderungen sind Start-up-Hotspots bedarfsgerecht und gezielt so zu gestalten, dass innovative Unternehmen ideale Entwicklungsmöglichkeiten vorfi nden und bleiben. Schwerpunkte sollten in den Bereichen Venture-Capital-Geber, Internationalisierung, Attraktivität für Arbeitnehmer und Marketing der Region liegen.

Effiziente und praktikable Förderung gewährleisten

Brandenburgs Förderangebot ist breit gefächert, die Beantragung jedoch zu bürokratisch. Lang andauernde Auszahlungen brachten Unternehmen wie Start-ups bereits in existenzielle Nöte, wohingegen nur wenige Digitalisierungswillige bestehende Landesförderinstrumente wie den „Brandenburger Innovationsgutschein (BIG) digital“ in Anspruch nehmen. Die Förderkulisse des Landes ist an vielen Stellen nicht gut genug auf die Bedarfe der Unternehmen abgestimmt. Um die Transformation konkret anzugehen, neue Geschäftsideen zu entwickeln und Innovationen zügig an den Markt zu bekommen, sind passgenaue und praxistaugliche Unterstützungsprogramme gerade für die in der Region dominierenden kleineren Betriebe notwendig. Zuschuss- und Darlehensprogramme für Digitalisierungsvorhaben sind handhabbar(er) zu gestalten. Die ILB muss zur neuen Förderperiode eine moderne und eff ektive IT zur Verfügung stellen und für deren Umsetzung umgehend mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die Beantragung und Nachweisführung benötigt vereinfachte Verfahren und durchdigitalisierte Antragswege. Nicht abgerufene Fördermittel sind zur Aufstockung von bestehenden und nachgefragten Förderrichtlinien und nicht zur Haushaltssanierung zu nutzen. Eine Partnerbeteiligung muss in allen Programmen digital geschehen. Zur weiteren Förderung innovativer Unternehmen bedarf es haftungsfreigestellter Förderprogramme. Brandenburg muss sich angesichts der Arbeitsmarktsituation dafür einsetzen, dass die Fachkräftesicherung und -bindung statt der Schaff ung neuer Arbeitsplätze Grundlage der Investitionsförderung ist. EU-Vorgaben für die Fördermittelvergabe sind durch das Land bestenfalls zu präzisieren, aber nicht zu verschärfen.

5. Standorte zügig planen und entwickeln

Industrie- und Gewerbeflächenentwicklung vorantreiben

Industrie- und Gewerbegebiete in ausreichendem Umfang sind für eine florierende Wirtschaft und damit für den Wohlstand im Land Brandenburg unverzichtbar. Trotz der Standortgunst der Hauptstadtregion fehlen solche Flächen in vielen Kommunen für Neuansiedlungen, Verlagerungen oder Erweiterungen von Unternehmen. Politik und Verwaltung sollten sich der Gewerbeflächenentwicklung intensiver widmen, indem ein effektives Flächenmanagement gefördert, die Entwicklung von Gewerbeflächenreserven stärker unterstützt und die Erschließung unter Betrachtung der relevanten Standortfaktoren beschleunigt werden. Das gilt nicht nur für die lokale Infrastruktur. Der Klimaschutz, die Mobilitäts- und Energiewende sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Fachkräfteverfügbarkeit und eine potenzielle Mangellage für die Ressource Wasser. Die Transformation des Verkehrs in Industrie- und Gewerbegebieten ist zu fördern, indem sich das Land für einen bedarfsgerechten Güterumschlag über die Schiene, eine intensivere Nutzung der Wasserstraßen und Hafeninfrastruktur für umweltfreundlichen Warentransport sowie zukunfts- und produktionsorientierte Logistikansiedlungen mit hoher Wertschöpfung einsetzt. Das aktuelle Gewerbe- und Industrieflächenkonzept der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) ist zügig umzusetzen.

Das Bauen beschleunigen

Die Versorgung mit Baustoffen und Energie, die stark gestiegenen Bauzinsen und die Inflation verunsichern sowohl Bau- und Immobilienunternehmen als auch nachgelagerte Branchen enorm. Bisherige Geschäftsmodelle sind häufig nicht mehr zukunftssicher. Unternehmen brauchen politische Rahmenbedingungen, die unterstützen und Planungssicherheit schaffen. Potenzial liegt im Abbau von unnötigen Normen, Auflagen und Bauvorschriften und die Umstellung auf digitale Prozesse. Serielles und modulares Bauen ist zu fördern. Lieferketten für Material und Rohstoffe müssen gesichert, Baukostensteigerungen konsequent entgegengewirkt werden.

Stadtentwicklung und Einzelhandel stärken

Die Innenstädte und Ortsteile in Brandenburg sehen sich mit verschiedenen Krisenfolgen und einer abnehmenden Attraktivität konfrontiert, was ihren Status als Wirtschafts- und Arbeitsstandort gefährdet. Der fortschreitende Strukturwandel und die Digitalisierung beeinflussen neue Handelsformate und Betriebsmodelle im Einzelhandel. Es ist entscheidend, unbürokratische Lösungen für neue Betriebsformen zu schaffen, die sich am Kundenbedarf orientieren. Die Empfehlungen des „Bündnisses für lebendige Innenstädte“ sollten bei der Stärkung der Zentren berücksichtigt werden, einschließlich der Evaluierung des Ladenöffnungsgesetzes, der Einführung von Innenstadtfonds und einer Gesetzgebung für Business Improvement Districts (BID), die die Verwendung privater Mittel in der Gestaltung öffentlicher Räume ermöglicht. Das Land sollte sich zudem verstärkt auf die Stadtentwicklungsplanung und innerstädtisches Gewerbe fokussieren, unterstützt durch das „Bündnis für lebendige Innenstädte“ und begleitet von dem gemeinsam ausgetragenen Innenstadtwettbewerb. Kommunen benötigen intensivere Unterstützung, vor allem bei Herausforderungen wie dem klimagerechten Stadtumbau und der Verbesserung des Erscheinungsbildes, um die Aufenthaltsqualität zu steigern und neue Anreize für Stadtbesuche zu schaffen. Ein Citymanagement kann dabei eine wesentliche Rolle spielen.

Weiche Standortfaktoren ausbauen

Die stark rückläufige Verfügbarkeit von Wohnraum in den letzten Jahren beeinträchtigt das Angebot für Fach- und Arbeitskräfte sowie Auszubildende, insbesondere im berlinnahen Raum. Dies erschwert Unternehmen die Besetzung von Stellen und hemmt die Zuwanderung. Wohnraum muss verfügbar sowie bezahlbar bleiben und damit als Standortfaktor eine höhere politische Priorität bekommen. Die Förderung von Wohnungsbau sowohl für Eigentum und Miete, die Anpassung des Landesentwicklungsplans (LEP-HR) für Wohnungsbaupotenziale in Kleinstgemeinden und Maßnahmen zur Klimaanpassung und Verwaltungsvereinfachung sind zentrale Forderungen der Wirtschaft.

6. Energieversorgung sichern und Nachhaltigkeit unterstützen

Energiekosten senken und Versorgungssicherheit gewährleisten

Die Auswirkungen der Energiekrise stellen Brandenburgs Wirtschaft immer noch vor erhebliche Herausforderungen. Eine Planung gestaltet sich schwierig, und die Unsicherheit über die Dauer der Situation bleibt bestehen. Unternehmen brauchen dringend eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Die Landespolitik muss gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Energiepreise zu senken, zu stabilisieren und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Eine politische Lösung für die perspektivisch weiter steigenden Nutzungsentgelte in den Energienetzen ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Der Ausbau der Stromnetze muss beschleunigt werden, denn im Zuge der Energiewende werden tausende Kilometer neuer Stromleitungen benötigt, die noch nicht genehmigt sind. Zusätzlich muss der Ausbau der gesamten Energieinfrastruktur vorangetrieben werden, um den gesetzlich fixierten Abschaltpfad der fossilen Stromerzeugung umzusetzen. Dazu ist es erforderlich, dass ausreichend große Energiespeicher dezentral integriert werden. Netzkapazitäten können nur schnell erweitert, Infrastrukturen rasch modernisiert und die Erneuerbaren Energien zügig ausgebaut werden, wenn eine effektive Verwaltung dahintersteht.

Wettbewerbsfähige Transformation fördern

Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen und die Förderung klimafreundlicher Technologien. Technologieoffenheit und wettbewerbsfähige Standortfaktoren sind für die erfolgreiche Transformation der Hauptstadtregion entscheidend. Je nach Branche und Region können verschiedene Potenziale und Technologien zur Erreichung der Klimaneutralität genutzt werden, darunter Bioenergie, Geothermie, Abwärme, Wasserstoff und CO²-Abscheidung. Die Landespolitik sollte gemeinsame Strategien mit Berlin entwickeln, um den wachsenden klimapolitischen Herausforderungen zu begegnen.

Nachhaltigkeit in Unternehmen unterstützen

In vielen Brandenburger Unternehmen ist Nachhaltigkeit bereits zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur. Die Umwelt- und Klimapartnerschaft hat besonders kleinere Unternehmen zur nachhaltigen Produktion geführt und ist fortzusetzen. Unternehmen mit geprüften Managementsystemen sollten Erleichterungen bei der Berichterstattung, Fördermittelbewilligung und öffentlichen Aufträgen erhalten. Das Brandenburger Umweltsiegel für KMU als Einstieg in ein Managementsystem ist beizubehalten, begleitet von Beratungskapazitäten zur Unterstützung von Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit.

Kreislaufwirtschaft konsequent stärken

Eine effiziente Kreislaufwirtschaft kann durch den Einsatz hochwertiger Sekundärmaterialien Ressourcen einsparen. Primär- und Sekundärmaterial sollten gleichgestellt werden. Die öffentliche Hand muss ihrer Vorbildfunktion nach §27 Brandenburgisches Abfall- und Bodenschutzgesetz konsequent nachkommen und Recyclingmaterialen bevorzugt einsetzen. Im Baubereich sollte eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, um zertifizierte Ersatzbaustoffe einzusetzen. Die Qualitätssicherung von Sekundärbaustoffen gewährleistet die Konformität der hergestellten Baustoffe mit den geltenden bau- und umwelttechnischen Regelwerken und stellt die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (§ 7 KrWG) sicher. Eine Förderung dieser QUBA-zertifizierten Sekundärbaustoffe wie in Bayern kann als Vorbild dienen. Die Energetische Verwertung als Teil der Abfallhierarchie bleibt unverzichtbar, weil auch unter Einhaltung höchster Standards bei Abfalltrennung und -recycling nicht verwertbare Restmengen verbleiben.

Wasser als wirtschaftliche Ressource sichern

Das Bevölkerungswachstum und die zunehmende Attraktivität als Wirtschaftsstandort erhöhen den Wasserbedarf in der Hauptstadtregion kontinuierlich. Trinkwasserversorgung und industrielle Prozesse sind von der Ressource Wasser abhängig. Geringe Niederschlagsmengen und die Bodenbeschaffenheit stellen besondere Herausforderungen dar. Klimawandel und Braunkohleausstieg verschärfen die Situation zunehmend. Wasserpolitische Entscheidungen für die Ertüchtigung bestehender Speicher und den Bau neuer Reservoirs haben höchste Priorität. Hier müssen Lösungen entwickelt und ein länderübergreifendes Wassermanagement etabliert werden. Die Erweiterung von Grundwassermodellen, wie in der Lausitz, auf ganz Brandenburg und Berlin ist essenziell. Die beschleunigte Abwicklung wasserrechtlicher Verfahren ist entscheidend, um Wassernutzungskonflikte zu vermeiden.

7. Hauptstadtregion leben und Außenwirtschaft stärken

Metropolregion Berlin-Brandenburg stärken

In kaum einer anderen deutschen Metropolregion sind Unternehmen und Arbeitsmärkte zweier Bundesländer ähnlich eng verflochten wie in der Hauptstadtregion. Auch aus internationaler Sicht werden Berlin und Brandenburg als ein gemeinsamer Wirtschaftsraum wahrgenommen. Doch bleibt die Landesgrenze oft eine Barriere. An dieser enden nicht allein behördliche Zuständigkeiten, sondern auch Abstimmungen, Planungen und das Mitdenken der Herausforderungen des Nachbarlandes. Dabei gibt es kaum wichtige ökonomische oder soziale Aspekte, bei denen sich beide Länder verschieden und unabhängig voneinander entwickeln. Die Zusammenarbeit ist bisher nur in wenigen Feldern ausreichend ausgeprägt, wie etwa in der räumlichen Landesplanung. Hier besteht sie primär auf der Ebene der Landesregierungen. Mit einem gemeinsamen Metropolraummanagement beider Länder kann die Entwicklung der Region auf allen Ebenen gemeinsam gedacht und angegangen werden. Insbesondere in den Themenfeldern Bildung, Forschung und Entwicklung, Wohnen, Verkehr, Energie und Klimaschutz, der Ansiedlung von Unternehmen sowie der Digitalisierung sind strategische Konzepte vorauszudenken sowie gemeinsame Vorhaben und messbare Ziele zu vereinbaren. Dabei muss der Strategische Gesamtrahmen Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg von 2021 stets um aktuelle Entscheidungen fortgeschrieben und die Umsetzung im Blick behalten werden.

Internationalisierung der hiesigen Wirtschaft fokussieren

Zwar befinden sich die Brandenburger Exporte seit 15 Jahren auf einem Wachstumspfad, im gesamtdeutschen Vergleich zählt die Region mit einer Exportquote von 36,9¹ Prozent jedoch weiterhin zu den Schlusslichtern. Im Bundesdurchschnitt beträgt die Exportquote mehr als 50 Prozent. Hier liegen viele ungenutzte Chancen, denn das internationale Geschäft Brandenburger Unternehmen sichert Arbeitsplätze, bietet weltweite Absatzmöglichkeiten und macht die Wirtschaft resilienter. Wie die Exportwirtschaft durch den Abbau aktueller Hürden wieder Fahrt aufnehmen kann, wird weltweit diskutiert und muss in den kommenden Jahren auch in Brandenburg im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Dafür sind bessere Rahmenbedingungen, insbesondere unbürokratische Unterstützung bei der Lieferkettenneuausrichtung und der Erschließung alternativer Märkte notwendig. Brandenburger Unternehmen sehen zunehmend bessere Geschäftsperspektiven in neuen Zielmärkten außerhalb der Haupthandelspartner. Die Internationalisierungsstrategie und das Außenwirtschaftskonzept des Landes sind daher mit Blick auf vorherrschende geopolitische Gegebenheiten zu aktualisieren. Die weitere Entwicklung der Hauptstadtregion benötigt eine gemeinsame Außenwirtschaftsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg. Die Außenwirtschaftsförderung für KMU „GRW-Markt-International 2023“ und die Markterschließungsrichtlinie sollten finanziell aufgewertet und regelmäßig auf die Wirksamkeit überprüft und angepasst werden.

Europäischen Binnenmarkt verwirklichen – Abschottung zu Drittländern vermeiden

Der EU-Binnenmarkt bietet laut Außenhandelsstatistik und wiederholten IHK-Umfragen in Brandenburg die besten Geschäftschancen, jedoch belastet unnötiger bürokratischer Aufwand vor allem KMU. Brandenburg sollte sich auf EU-Ebene für Bürokratieabbau und Harmonisierung technischer Standards einsetzen. Der Umfang von Anzeige-, Melde-, Statistik- und Nachweispflichten wie z. B. im EU-Lieferkettengesetz muss reduziert werden, um wirtschaftliche Aktivitäten und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Eingriffe in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit sind abzulehnen. Die EU-Zollreform ist zügig voranzutreiben. Die aktuellen geopolitischen Spannungen fordern ein engeres Zusammenrücken mit den Nachbarländern. Die guten und intensiven wirtschaftlichen Beziehungen zu Polen als wichtigem Handelspartner sollten intensiviert und auf Landes- und Bundesebene gefördert werden. Brandenburg muss sich für eine selbstbewusste, von eigenen Interessen geleitete EU-Außenwirtschaftsstrategie einsetzen, die statt Abschottung und Protektionismus auf freien und offenen Handel setzt. Das Land sollte sich auf EU-Ebene für eine stärkere Einbindung der Wirtschaft bei sanktionspolitischen Entscheidungen und die Entwicklung und Bereitstellung digitaler Tools zur revisionssicheren Exportkontrolle für KMU einsetzen.

Ansprechpartner

Susann Budras
Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin
Leiterin Geschäftsbereich: Standortpolitik und Regionalentwicklung
t: +49(0)355 365 1010
f: +49(0)355 3659 1010
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